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Artissima 2017: Mehr Kunst als Trüffel

Die Trüffelsaison fällt aus. Das trockene Wetter lässt die Pilzernte einbrechen; Besucher brauchen also andere Gründe für eine Reise nach Turin. Für Galeristen ist die zählbare Ausbeute hier traditionell ebenso schwankend und in diesem Jahr nach den ersten beiden Tagen eher mittelprächtig. 

Die Besucher muss das jedoch nicht kümmern, sie finden mit der Artissima die nach wie vor fruchtbarste Messe für zeitgenössische Kunst des Kontinents. Die neue Direktorin Ilaria Bonacossa hat mit ihrer ersten Ausgabe das Rad nicht neu erfunden. Die von ihr bestellten Kuratoren für die verschiedenen Sektionen, unter anderem als Neuzugang "Disegni" für Zeichnungen, haben weitgehend auf Bewährtes gesetzt. Doch die Aussteller wissen um das herausfordernde Umfeld des italienischen Marktes und bringen von sich aus mehrheitlich Positionen mit, die in dieser Dichte kaum irgendwo zu sehen sind. Die zum Teil vergleichsweise günstigen Preise unterstützen diesen Ansatz. Das wirtschaftliche Risiko bleibt für Galerien überschaubar und Sammler können für relativ kleines Geld Entdeckungen machen, die auf kostenintensiven Messen mit dem Zwang zu hochpreisiger Ware selten sind. Als Folge davon gibt es deutlich mehr Kunst von Frauen zu sehen. Das ist nicht nur dem Zeitgeist geschuldet, sondern auch zwei weiteren Umständen: Unter jüngeren KünstlerInnen liegen der Frauenanteil höher und das Preisniveau niedriger.

Sabine Schmidt ist mit ihrer Berliner Galerie PSM ein Paradebeispiel hierfür. Sie nimmt zum dritten Mal in Folge teil. In der neuen Sektion "Dialogue" lässt sie Arbeiten der Künstlerinnen Catherine Biocca und Nadira Husain in Dialog treten. Die Preise liegen zwischen 2.000 und 5.000 Euro. Dass am zweiten Tag die Abschlüsse immer noch auf sich warten lassen, sieht sie entspannt: "Die Leute gucken auf der Eröffnung, lassen sich etwas erzählen, fragen nach, sagen, sie kämen nochmals und meistens kommen sie dann tatsächlich wieder.  So ist das halt bei den Regionalmessen - da herrscht nicht so ein Kaufdruck. Aber das ist ja auch ganz schön."

Nicht zuletzt dank der überschaubaren Kosten kommen Besucher in den Genuss einer Einzelpräsentation der Papierarbeiten von Ferdinand Penker, die Daniel Marzona aus Berlin und die Wiener Galerie Nächst Sankt Stephan dem 2014 verstorbenen Künstler ausrichten. Die Wiederentdeckung hätte auch gut in den Bereich "Back to the Future" gepasst,  mit dem sich die Artissima großes Renommee erarbeitet hat, die aber heuer unverständlicherweise an Rand gedrängt worden ist.

Dass für solche etwas widerständigen und im Grunde spezifisch österreichische Positionen in Italien durchaus Interesse besteht, bestätigt die Wiener Galerie Charim, die unter anderem den  65-jährigen Rudolf Polanzsky  zeigt: "Das funktioniert hier ganz gut. Die Italiener  verstehen das. Der Wiener Aktionismus ist hier bekannt und man hat auch keine Angst vor Formen, die nicht ästhetisch klar sind. Dabei hatte er nie eine richtige Marktkarriere, wie viele österreichische Künstler seiner Generation. Er ist zwar in allen größeren österreichischen Sammlungen vertreten, hat aber im Grunde bisher nie mit einer Galerie gearbeitet." Preise bis 18.000 Euro für große Skulpturen bleiben knapp unter der Schmerzgrenze für private Sammler, die auf der Artissima normalerweise  keine riesigen Beträge ausgeben, dafür aber mit Interesse und Kenntnis sammeln.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Artissima 2017
03 - 05.11.2017

Oval - Lingotto Fiere
10126 Turin, Via Nizza 294
Email: info@artissima.it
http://www.artissima.it
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Polanszky
Andreas Huber | 05.11.2017 04:31 | antworten
Dass Rudolf Polanszky nie mit Galerien zusammengearbeitet hätte, kann ich aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Mehr Recherche oder Mut zur Wahrheit hätte gutgetan.

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