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Reality Check: Wild Cube and Ground Control - Lois Weinberger – KONJUNKTIONEN mit Heath Bunting und Ladislav Zajac: Unkraut vergeht nicht

Im Zentrum der vom „RealismusStudio“ des Berliner nGbK kuratierten Ausstellung „Reality Check: Wild Cube And Ground Control“ stehen ältere und neuere Arbeiten von Lois Weinberger, die ergänzt werden mit kleineren Präsentationen von Heath Bunting und Ladislav Zajac. Vor allem Weinbergers so lapidaren wie poetischen, oft handlungsorientierten und stets erkenntnisreichen künstlerischen Arbeiten fallen dabei ins Auge.

Bereits 1994/95 lebte Lois Weinberger anlässlich eines Stipendiums im Künstlerhaus Bethanien für längere Zeit in Berlin. Damals interessierte er sich vor allem für die Vegetation des sogenannten „Todesstreifens“ an der ehemaligen Berliner Mauer. Denn dieser Streifen war eben alles andere als tot, vielmehr wucherte dort unbeachtet von der Kontrolle des Menschen eine quasi „wilde“ Vegetation unzähliger Pflanzen – viele von ihnen werden geringschätzig als „Unkraut“ bezeichnet. Somit fand Weinberger hier eine der „Brachen“ vor, die den selbst ernannten „Feldarbeiter“ seit Ende der 1980er Jahre faszinierten, denn sie stellen ganz konkret ein Gegenentwurf eben der kapitalistischen Verwertungslogik dar, die sonst all zu oft unseren Umgang mit „Natur“ strukturiert. Außerdem zeigt der Begriff „Unkraut“ schon exemplarisch auf, dass unser Verhältnis zur Natur längst kein „natürliches“ mehr ist, sondern kulturell determiniert wird. So ist eine Pflanze in einer Gesellschaft „Unkraut“, in einer anderen Gesellschaft, in einem anderen Lebensumfeld aber eine wichtige Nutzpflanze. Doch Weinberger begnügt sich keineswegs mit dieser Erkenntnis, sondern erkennt zudem, dass auch unsere (begriffliche) Trennung von pflanzlicher und tierischer Natur, ja von Natur und Dingen eine relativ willkürliche und ebenfalls gesellschaftlich bestimmte Abgrenzung ist. Der Philosoph Timothy Morton diskutiert in seinem Buch „Ökologie ohne Natur“, 2016, bekanntlich verwandte Fragestellungen.

In der Ausstellung werden diese naturphilosophischen Aspekte in unterschiedlicher Weise von Weinberger durchgespielt. Da ist z. B. das großformatige Foto „Brandenburger Tor“, 1994, das außerdem wild plakatiert in Berlin-Kreuzberg zu sehen ist. Es zeigt den Künstler stehend in einer Brache, „partnerschaftlich“, und nicht auf Ausbeutung aus, wässert er behutsam eine Pflanze. Oder da ist der auf eine Holzpalette gezeichnete (anonyme) Stadtplan „Map“, 2006, die Straßennamen sind sämtlich Namen von Pflanzen, z. B. „Ackerminze“, die er in den so benannten Straßen gefunden hatte. Pflanzennamen stehen dann in „o. T.“, 2001, im Fokus. Aufgelistet in zwei Spalten stehen da eine Reihe von zusammengesetzten Hauptwörtern, bei denen der zweite Teil gestrichen wurde. So werden aus Pflanzennamen plötzlich Tiernamen, wie etwa im Beispiel „Löwenzahn“. Und da steht auch lapidar an der Wand die Metallstange „Eisen“, 2006, die sich oben verästelt – Metall wird zur Pflanze… Schließlich die Installation „Garden“, 1991/2014,: auf einem Holztisch steht eine Plastikwanne, in dieser wächst „Spontanvegetation“ (Weinberger), daneben liegt eine leere Plastikflasche – ein vielsagendes Zivilisationsbild, das zudem durch einen handgeschriebenen Text auf dem Tisch kommentiert wird. Er beginnt mit den Worten: „Brachen / Peripherien / Lücken im Urbanen / Orte in denen sich die Grenzen als Bewegtes Weiterführendes zeigen ...“. Bitte unbedingt weiter lesen!

Mehr Texte von Raimar Stange

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Reality Check: Wild Cube and Ground Control - Lois Weinberger – KONJUNKTIONEN mit Heath Bunting und Ladislav Zajac
14.10 - 19.11.2017

nGbK neue Gesellschaft für bildende Kunst (alte Location)
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