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Für die Ewigkeit – Archivarische Strategien in der Kunst: Kunst als Speichermedium

Das Auffallende und Spannende an der Ausstellung „Für die Ewigkeit - Archivarische Strategien in der Kunst“ ist, dass hier vor allem Alltägliches künstlerisch archiviert wird. Gerade der banale Alltag also wird überraschenderweise von den meisten der hier ausgewählten KünstlerInnen, wie der Titel nahelegt, heraus dem Fluss der flüchtig-vergänglichen Zeitlichkeit hinüber gerettet in die Ewigkeit. Und noch eines ist prägnant an der Ausstellung: Obwohl der Kunstraum Alexander Bürkle bekannt ist für seinen eher konzentriert-minimalistischen Arbeitsschwerpunkt von Radical Painting und Konzeptkunst, ist das Spektrum der in „Für die Ewigkeit“ gezeigten ästhetischen Strategien erstaunlich breit und abwechslungsreich.

Zu Beginn der Ausstellung zeigt Andrea Ostermeyer in ihrem „Plastischen Archiv“, 1983 – 2001, ihre Arbeitsmaterialien – und was könnte alltäglicher für Künstler sein?! In den 30, von oben einsehbaren MDF-Boxen findet man da z. B. Stoffe, Kunstleder, Messing, aber auch Skizzenbücher Ostermeyers. In einem Verzeichnis aller systematisch im Raum angeordneten Kisten kann dann präzise nachgesehen werden, welches Material sich wo befindet. Auch Matten Vogel macht sein Leben als Künstler zum Thema seiner Arbeit. Dazu funktioniert er Malerei, etwa in „Jahr 2016“, 2016 - 2017 um in quasi Jahreskalender, unterteilt er doch seine Leinwände in Rechtecke, die jeweils einem Tag eines Jahres entsprechen. Diese Rechtecke werden dann so markiert, dass ablesbar ist, wann Vogel z. B. im Atelier gearbeitet hat und wann er nicht künstlerisch nicht tätig war.

Der documenta 14-Teilnehmer Ulrich Wüst dann zeigt u. a. lapidare fotografische Aufnahmen von Straßen und Wegen aus dem Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Dabei geraten seine in 50 Fotos dokumentierten „Bodenproben Prenzlauer Berg (Berlin 2012)“, 2014, beinahe schon zu organisch-abstrakten Bildern, die einen expliziten Zeitpunkt anhand des Zustands von Straßenbelägen und Gehsteigen festhalten, ohne tatsächlich zu dokumentieren.

Daniel Wredes Bildobjekte erinnern auf dem ersten Blick an minimalistische Farbfeldmalerei, auf dem zweiten, genaueren Blick jedoch erkennt man, dass auf den monochromen Farbstreifen, aus denen sich diese Arbeiten zusammensetzen, (Verfalls)Daten gedruckt sind und man realisiert, dass es sich bei den Farbstreifen um Verschlussclips von Brotverpackungen handelt. So archiviert Wrede bildnerisch gewissermaßen einen Aspekt seines alltäglichen Essverhaltens. Peter Dreher schließlich malt ebenfalls ein lapidares Sujet aus der Welt des Konsums, nämlich ein Wasserglas. Seit 1974 arbeitet der Künstler an seiner Werkreihe „Tag um Tag guter Tag“ und malt pro Jahr etwa 50 banale, in exakt gleicher Weise auf einem Tisch stehende Wassergläser, mal bei Tag, mal bei Nacht. Obwohl die Gläser sich nicht zu unterscheiden scheinen, ergibt sich so bei jedem Malakt Drehers ein „individuelles“ Bild, die „ewige Wiederkehr des Gleichen“ (Friedrich Nietzsche) ist eben doch nie eine Wiederkehr des absolut Identischen.

In der sehenswerten Präsentation sind zudem Arbeiten u. a. von Hanne Darboven, Helen Mirra, Peter Piller und On Kawara ausgestellt.

Mehr Texte von Raimar Stange

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Für die Ewigkeit – Archivarische Strategien in der Kunst
09.10.2017 - 18.02.2018

PEAC Museum
79108 Freiburg, Robert-Bunsen-Strasse 5
Tel: +49 761 5106 600
Email: team@peac.digital
https://www.peac.digital/
Öffnungszeiten: Di–Fr 11:00–17:00 Uhr / So+Feiertags 11:00–17:00 Uhr


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