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Vito Acconci 1940 - 2017

Nur teilweise stimmt es, dass Vito Acconci durch die berühmte »Seedbed« Performance, 1972, in der New Yorker Filiale der Sonnabend Galerie, bei der er zwei Wochen lang unter dem Boden liegend immer wieder onanierte, weltberühmt wurde. In der amerikanischen Kunstwelt ins Gespräch kam er nämlich auch durch die große Eröffnungsausstellung des MAK in Wien, 1993, im Zuge deren er alle Bereiche des vollständig durchrenovierten und erneuerten, ehemaligen Kunsthandwerksmuseums bespielt hat. Die Show damals bot eine aufsteigende Graslandschaft, die man durchwandern konnte; sowie – im adaptierten großen Saal im Erdgeschoß – ein Szenario, das die vertraute Raumgeometrie aushebelte und alles ins Wanken brachte; eine Art räumlich verzerrter, begehbaren Spiegelraum. In der internationalen Kunstwelt hatte sich damals herumgesprochen, dass in Wien schlicht und einfach alles möglich sei. Nicht kommuniziert worden war nämlich, dass diese außergewöhnliche Ausstellung, mit der sich das MAK unter Peter Noever für viele Jahre ins Gespräch gebracht hatte, aus einem einmaligen Eröffnungsbudget für das gerade frisch renovierte Museum finanziert werden konnte; dass die beeindruckenden Intervention Acconcnis also im Rahmen einer einmaligen Großinvestition für die Wiedereröffnung des Hauses ermöglicht worden war. Umgekehrt lagen die Pläne für die zum Wahrzeichen gewordene Grazer Murinsel Acconcis bereits lange auf dem Tisch, bis diese dann endlich im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres, 2003, finanziert worden ist. Die Wartezeit konnte Acconci nicht irritieren. Für das Wiener Donaukanalgebiet, das die Wiener Stadtentwicklung in eine Graffiti-Übungsstrecke mit Event-Brückenbeleuchtung transformiert hat, hat er nämlich zuvor schon er ein hochinteressantes Projekt angeboten, das mehr als zehn Jahre bloß im Gespräch geblieben ist; mehr nicht. Viel zu viel hatte es nämlich mit Kunst im öffentlichen Raum zu tun, mit einem Thema also, mit dem die Stadtpolitik nur mäßig umgehen hatte können Umso erstaunlicher ist, wie es dem ehemaligen Aktionskünstler Acconci gelungen ist, sich aus einer widerständigen Haltung heraus mit Projekten im öffentlichen Raum zu positionieren. Hierfür gründete er das ACONCCISTUDIO, das weltweit eine Vielzahl von Projekten realisiert hat; in Mexiko, in der Russischen Föderation, in Norwegen, Puerto Rico oder Griechenland. Die meisten dieser Projekte, Brücken, Hallen, Spielplätze, Abgrenzungen im öffentlichen Raum wollen zu alternativen Sichtweisen auf den urbanen Kontext rundherum anregen. »... and I put the upside down ... «, erkläre er oft mit seinem von mehreren Packungen französischer Zigaretten pro Tag gezeichneten tiefen Timbre. Tatsächlich war es dies: den Sinn für die Realität, die Vorstellung vom Vorgegebenen verändern, um zu demonstrieren, dass alles eigentlich auch anders sein könnte: viel spaßiger, aber auch viel mehr die Sinne öffnend und viel demokratischer. Vielleicht war dies eine Essenz des Nachdenkens von Vito Acconci über den öffentlichen Stadtraum. Jedenfalls war Acconci grundsätzlich eine außergewöhnliche Figur. Mit Opernmusik und Literatur aufgewachsen, wandte sich der in New York geborene Künstler zunächst der Performance und bald Experimenten mit Audiovisuellen Installationen zu. Erst in den letzten Jahren wieder zeigte sich die enorme Relevanz von Vito Acconci als Vordenken der performativen Kunst von der aus es ihm gelungen ist, eine direkte Linie zur Intervention im Stadtraum zu ziehen. Wie soeben bekannt wurde, ist der New Yorker Künstler und Landschafts-Architekt am 28. April 2017 im Alter von 77 Jahren verstorben.
Mehr Texte von Roland Schöny

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