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Raum & Fotografie: Reise durch globale Welträume

Eigentlich nichts Neues: dauernd ist in der Kunst vom Raum die Rede. Aktuell widmet sich seiner Darstellung die Ausstellung „Raum & Fotografie“ im Salzburger Museum der Moderne. Tatsächlich neu ist dabei: aus historischer und globaler Sichtweise. Der Grund dafür stellt gleichsam das Entstehen des neuen Kompetenzzentrums für Fotografie dar, die in einem neuen Kunstdepot unterzubringen wäre (bis heute 22.000 inventarisierte Werke) und die Neubewertung der 1981 gegründeten Sammlung. Insgesamt folgen die einzelnen Schritte gezielt dem Konzept der heuer ausscheidenden Direktorin Sabine Breitwieser bezüglich der Aufwertung des Museums.

Da die Grenze der Zweidimensionalität der Aufnahme in der Technik der Fotografie längst überschritten wurde, werden in der Ausstellung auch Video, Installationen und fotografische Objekte zusammenhängend konfiguriert - in einer Zeitspanne von 1860 bis heute. Das „räumliche Sehen“ und die Werke, in denen Raum, fraktal gebrochen, seit langem kein Monolith ist und mannigfaltig von anthropologisch bis ökonomisch gedeutet werden kann, hat die Kuratorin Christine Kuhlmann auf ausgewählte sechs Kapitel zugeschnitten, die sie für die heutige Weltordnung als relevant betrachtet. Im Abschnitt „Frühere Bildverfahren“ ruft man „Camera Obscura“ und Beispiele der Stereoskopie in Erinnerung, die dann in den „Experimentellen Bildräumen“ u.a. anhand der Stereo-Dias „Subway“ und des Videos „Zeitraum“ aus den 70ern des Schweizers Alfons Schilling, einem Protagonisten der österreichischen Neoavantgarde aktualisiert werden. Die fotografischen Aufnahmen in der Sichtapparatur bzw. im Video werden bei ihm stark defragmentierend erfasst und ähneln einer Zeitreise. Dank der ununterbrochenen Lust der Fotografie an Innovation durch Solarisation oder Nacharbeitung der Fotoabzüge zaubern die KünstlerInnen im 20. Jahrhundert aus realen Motiven surreale Zeitmomente, wie dies die Fotocollagen Sasha Stones in „Wenn Berlin (...) wäre“ belegen. Zu diesem Genre zählen auch lebhafte Schattenspiele, die auf das mythische Urbild des Mediums wie Platon Höhlengleichnis zurückgreifen – zu sehen in Hans Peter Feldmanns Installation „Schatten“ von 2005, in der sichtbare Lebensräume mittels Technik an Sichtbarkeit verlieren. Mit der Dichotomie sichtbar-unsichtbar im digitalen Zeitalter beschäftigt sich Hito Steyerl in ihrem bekannten Video HOW NOT TO BE SEEN (2013). Teilweise auf humorige Art probiert die vielseitige Deutsch -Koreanerin diverse Strategien der Tarnung ihres Körpers aus, als wollte sie in andere Räume verschwinden, um sich der massiven medialen Kontrolle zu entziehen. Gleich neben der Zeichnung des Konzeptkünstlers Stephen Willats, mit dem Faible zu soziologischer Analyse, „The Ideological Tower“ (1977) steht in der Abteilung „Gebaute Räume und Gesellschaft “ auf dem Podest der „Man Only Tower“ (2017), dessen durchsichtige Inneres ein Stapel von Softporno-Magazinen füllt. Diese Arbeit von Clare Strand kann zum einen als Exempel einer urbanen Raumverengung und zum anderen als ein Sinnbild der Machtkondensation sowie ebenso als moderne Himmelstürmerei gelten. Dem Streben danach, einen Horizont in die Spitze zu treiben, widerspricht dagegen der Holländer Henk Wildschut in seiner mehrteiligen Fotoarbeit „Ville de Calais“ (2017), die 15 Aufnahmen des breit- und chaotisch angelegten Flüchtlings-Zeltlagers in der französischen Hafenstadt zur Schau stellt. Diesen Ansichten fügt er noch ein Bild hinzu, das auf dem gleichen Ort eine grüne Landschaft als idyllischen Lebensraum erschließt. Starke räumliche Wirkung erzielen inszenierte Porträts seiner Landsleute des aus Ghana stammenden Philip Kwame Apaqya, da seine Modelle das eigene Idealbild durch die Kulisse der Umgebung, einer Wohnung oder am Flughafen, anhand von stereotypen Gesten und Posen, so wie man sie aus der westlichen Werbung kennt, generieren. Die reich gemusterten Kleider der Dargestellten verstärken als Blickfang, sogar mehr als ihre Gesichter, den Eindruck der Präsenz im Raum und schaffen somit bei Betrachtern die sofortige Anerkennung der suggerierten konsumorientierten Lebensweise à la Amerika.

Lobenswert an der Salzburger Ausstellung ist jedenfalls, dass sie sich nicht nur auf die westliche Raumauffassung beschränkt, sondern mit 35 Künstler- innen aus 14 Ländern endlich auch die globale Perspektive retrospektiv einbezieht. Leider zählen ihre Vertreter noch nicht zu den Beständen der Salzburger Sammlung. Desto mehr noch ein Grund diese Ausstellung zu besichtigen.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Raum & Fotografie
25.11.2017 - 22.04.2018

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
5020 Salzburg, Mönchsberg 32
Tel: +43 / 662 / 84 22 20-403, Fax: +43 / 662 / 84 22 20-700
Email: info@mdmsalzburg.at
http://www.museumdermoderne.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi 10-20 h


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