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Elger Esser - Aetas: Das Epische im Œuvre Elger Essers

Die Landesgalerie Linz widmet dem Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie Elger Esser als erstes Museum eine umfangreiche Einzelausstellung unter dem Titel „Aetas.“ Genau in solch ein anderes Zeitalter, nämlich in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts fühlt man sich in Essers Fotografien zurückversetzt. Die Reise geht in fünf Stationen (fünf Räumen) nach Frankreich: Ausgangspunkt ist der Garten des Insektenforschers Jean-Henri Fabre in Sérignan-du-Comptat, auf dessen Spuren sich Esser begibt. Der Blick der Kamera führt ins Dickicht einer unberührten Natur, an geheime Plätze und mitten in eine lichtdurchflutete Botanik. Combray, ein fiktiven Ort aus Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (1913) wird zum Schauplatz Essers Werkgruppe von 2010. Im Roman denkt der Protagonist an jenen Ort zurück, an dem er seine Kindheit verbracht hat, und kommt am Ende seines Lebens zu dem Entschluss, dass alles, was bleibt, bloß die Erinnerung an bereits Gelebtes ist. Und schließlich ist es das Gedächtnis, das als zeitloser Speicher ein Zurückreisen in die Vergangenheit ermöglicht. Genau diesen Moment greift Esser in seinen Fotografien auf. Die Zeit scheint still zu stehen, denn so könnten diese Aufnahmen ebenso gut aus dem neunzehnten Jahrhundert stammen. Auch die Tatsache, dass Esser für einen Großteil seiner Arbeiten eine altbewährte Technik aus dem neunzehnten Jahrhundert verwendet, scheint kein Zufall zu sein. Denn die Heliogravur zeichnet sich nicht nur durch die Wiedergabe gestochen scharfer Grautöne aus, sondern auch durch ihr Potenzial, Licht realitätsgetreu einzufangen. Den Höhepunkt der Ausstellung bildet die Werkgruppe „La Mer“ (UltraChrome Prints), in der Esser sich auf den französischen Realisten Gustave Courbet bezieht, von dessen Arbeiten schon Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Fotografenkollegen wie Gustave Le Gray fasziniert waren. Man wollte ebenso wie Courbet in „La Vague“ (1869) eindrucksvolle Meer- und Wellenlandschaften einfangen. Essers „Undine“-Serien sind genau dieser Versuch, aufbrausende, brechende und beeindruckende Wellenformationen fotografisch festzuhalten. Anders als Le Gray, der für seine Meeraufnahmen eine spezielle Technik entwickelte, seine Negative retuschierte und farblich veränderte, konzentriert sich Esser auf die Bewegung des Wassers und seinen dynamischen Moment, der die Fotografien zu Unikaten macht. Aber wie in fast all seinen Werkgruppen ist auch hier das Erzählen einer Geschichte, das sein Lehrer Bernd Becher stets als so wichtig empfand, von großer Bedeutung . Es ist die Geschichte seiner Studienreise auf dem Forschungsschiff Meteor. „La Mer Orageuse“ – ein Mosaikbild, das die Dimensionen eines Tafelbilds einnimmt, kann tatsächlich als Hommage an Courbet gewertet werden: Hunderte Miniaturfotografien formen sich als Mosaik zu einem Wellensujet, wobei sich der Himmel aus Wasser- und umgekehrt das Meer aus Himmelsaufnahmen zusammensetzt. In der Serie „France“ geht es wieder um Erinnerungen an Essers Kindheit, die neben Italien sehr stark von Frankreich geprägt war, da seine Mutter Französin ist. Es sind monochrome, großformatige menschenleere Meeresbilder, die, wie von einem Nebelschleier überzogen, an Eugène Delacroix’ oder Courbets stimmungsvolle Küstenlandschaften erinnern sowie an Texte von Charles Baudelaire oder Marcel Proust, die ebensolche zeitlosen Orte thematisierten. Die großformatigen Arbeiten im letzten Raum heben sich nicht nur durch ihre Präsentation von den übrigen ab – denn sie stehen frei im Raum–, sondern auch dadurch, dass es sich um Nachtaufnahmen handelt, da sich Esser auf die Spuren Monets berühmter Seerosenbilder begibt. Genau dieser Garten, den Monet Ende des neunzehnten Jahrhunderts erworben hatte, wird zum Sujet Essers Fotografien. Eine Reise zurück zum Ursprung, zur Atmosphäre eines anderen Jahrhunderts, die nur außerhalb der Öffnungszeiten der Touristenattraktion gemacht werden kann. -- Zum Abschluß der Ausstellung gibt es in der Landesgalerie noch eine Matinee und eine Führung ab 14.00 Uhr.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Elger Esser - Aetas
28.01 - 24.04.2017

Landesgalerie Linz
4010 Linz, Museumstrasse 14
Tel: +43 732 7720 52200, Fax: +43 732 7720 252199
Email: galerie@landesmuseum.at
http://www.landesgalerie.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-21 h


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