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Die Tiermalerin

Die finsteren Zeiten haben sich ein wenig aufgehellt in unserer Gegend, und so ist es im Moment fast kein Verbrechen, ein Gespräch über Bäume anzugehen. Oder eines über Tiere. Reden wir also über Norbertine Bresslern-Roth, die gerade in der Neuen Galerie in Graz eine Retrospektive hat; reden wir über eine „Tiermalerin“, so der Titel der Schau, mit der sich Christa Steinle als Kuratorin des Hauses verabschiedet. „Mittag“ ist lapidar ein Gemälde betitelt, das so etwas wie das Signaturwerk der 1891 in Graz geborenen Malerin, Zeichnerin, Illustratorin abgibt. Entsprechend ziert es das Cover des umfassenden Katalogs samt Werkverzeichnis. Ins Astwerk zurückgezogen vor der Hitze haben sich ein Panther und eine Kragenechse, so liegen und lagern sie nun, sehr animalisch und ein wenig anthropomorph, Porträts einer Natur, die vor der Domestizierung niemals sicher ist. 80 mal 100 Zentimeter misst das Gemälde, und wäre es nicht in Öl auf Jute, könnte es auch als Plakat für einen Disney-Film taugen. Der Panther würde zu Baghira aus dem „Dschungelbuch“, die Kragenechse zu Frank aus „Bernard und Bianca im Känguruhland“ und abgezirkelt wäre das Kinderparadies, um das sich die Ausstellung ohnedies bemüht. Zwischen die vielerlei Tiermalereien sind immer wieder Exponate gestellt, die der naturkundlichen Abteilung entstammen, jene Geschöpfe aus der Werkstatt des Präparators, die eine alternative Form der artifiziellen Tierhaltung vorführen. Norbertine Bresslern-Roth, "Mittag", 1935, Öl auf Leinwand, Privatbesitz, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner Nobertine Bresslern-Roth war von einer technischen Virtuosität, die, wie sagt man, restlos überzeugt. Hineingeboren in die Agonie Kakaniens, in Wien bei Ferdinand Schmutzer als Privatschülerin ausgebildet, wurde sie schnell zu einer gewissen Berühmtheit. Ob Auslöser ihrer Karriere allein die Begabung war, lassen die Schau und insgesamt auch die Quellenlage im Vagen. Die uneheliche Tochter einer Anna Aloisia Roth brachte es jedenfalls zu Ansehen in höheren Kreisen und zu einer Heirat mit Georg Ritter von Bresslern und Sternau, mit dem sie in offenbar lebenslanger Liebe verbunden war und der, eine absolute Trouvaille unter allen Männern dieser Zeit, seinen ganzen Ehrgeiz dem Werdegang seiner Frau widmete. Wie sie malen konnte, was sie aufzubieten hatte an Fähigkeiten zu abbildhafter, feinmalerischer, gleichsam fotografischer Nähe zur Wirklichkeit, zeigt das vielleicht gelungenste Tableau der Ausstellung: eine Wand mit allerlei Miniaturen, Porträts von sich selber, den Freunden, dem Zukünftigen, allesamt aus dem Frühwerk der zehner Jahre, als das Alleinstellungsmerkmal der Tierbildnerei noch nicht abgezirkelt war. Norbertine Bresslern-Roth bewältigt Bilder, wie sie die Historienmaler des 19. Jahrhunderts bewältigten, mit allen Mitteln der Mimesis, die hineinleuchtet in ein längst vergangenes Geschehen und so tut, als sei es nun wieder gegenwärtig. Doch lebt man mittlerweile im 20. Jahrhundert, und die historischen Geschichten sind perdu. Norbertine Bresslern-Roth führt beispielhaft das Dilemma vor, wenn einer motivbezogenen Kunst das Motiv abhanden kommt. Im Jahr 1904 schon hat Julius Meier-Graefe das wunderbar so formuliert: „Das ganze Elend des modernen Künstlers: Wollen und nicht wissen, was.“ Wunderbarer Weise fanden sich Tiere ein, denen nun beizukommen war mit all den Apparaturen der Meisterschaft. Doch es gibt auch ganz schaurige Allegorien, namentlich der 1925 unternommene Versuch, dem Land Steiermark ein Hohes Lied auf „Handel, Gewerbe und Industrie“ zu singen. Dass die Künstlerin den Verlockungen von Blut und Boden erlag, war dann nur noch die Konsequenz eines unausgegorenen Verhältnisses von Motiv und Methode. Als Tiermalerin jedenfalls markierte Norbertine Bresslern-Roth ihren Eintrag in die Kunstgeschichte. Die Retrospektive in ihrer Heimatstadt, in der sie 1978 auch gestorben ist, schreibt diesen Eintrag fest. Es bleibt ihr großer Anteil an der Feststellung, dass Kunst von Können kommt. Es bleibt auch ihr geringer Anteil an der Feststellung, dass Kunst von Erkennen kommt.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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