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Where Are We Now? Raumproduktion, territoriale Grenzen, Migration und transnationale Fluchtbewegungen in der bildenden Kunst: Macht Flucht Kunst

Am Franz Josefs Kai 3 zeigt der artmagzine-Autor und freie Kurator Roland Schöny eine künstlerische Bestandsaufnahme zu Fragen von machtvoll behaupteten Territorien sowie zu Flucht und Migration. Unter dem Titel „Where are we now“ setzen sich mit 13 KünstlerInnen mit Fragen der digitalen Überwachung (von Grenzen), Wanderungsprozessen und dem Sterben in den Transiträumen auseinander. Betritt man den Ausstellungsraum über den Eingang Franz Josefs Kai, steht man mitten in der Arbeit „Zaun im Raum“ der Österreicherin Gabriele Sturm. Ein mit Maschendrahtzaun begrenzter Raumteil, in dem man sich bewegen kann. Man ist als Besucher auf ein enges Gebiet zurückgeworfen. Eine Erfahrung die Menschen auf der Flucht immer wieder machen. An der Wand sind große farbenprächtige Malereien – sie könnten Vögel, die in bemalte Landkarten eingewickelt sind, darstellen. Dieser klaustrophische und auch lapidare Beginn der Schau ist ein Glücksfall für die Ausstellung. Ein Schlupfloch im Zaun ermöglicht schließlich doch die weiteren Räume der Ausstellung zu begehen. Kommt man über den zweiten Eingang zur Ausstellung, von der Wiesingerstraße, beginnt die Ausstellung kraftvoll. Peter Weibels „Europa(t)raum“ von 1983 ist hier zu sehen. Sechs riesige geschärfte Stahlklingen sind im ersten Raum verteilt, bemalt mit Fragmenten der Flächen europäischer Länder in roter Farbe, die aus einem einzigen Blickwinkel schließlich die gesamte Europakarte zeigen. Wie großformatige Messer, die den Flaneur zu verletzen drohen, stehen sie im Raum. Was als Paraphrase auf die blutige Geschichte des Kontinents gedacht war, wirkt angesichts der heutigen Lage Europas wie eine grausige Mahnung. Um auf jüngere Künstler internationaler Herkunft zu verweisen, die die Ausstellung ja zu nennen betont, sei hier die Arbeit der Russin Masha Poluektova erwähnt. In einem abgedunkelten Raum werden unterschiedlich hohe Stelen gezeigt, an deren Oberseite verblassende Gesichter in Schwarz-Weiß zu sehen sind. Die Fotos, auf gepresstem Seegras gedruckt, stehen für die unzähligen Toten im Mittelmeer. Die schlechte Erkennbarkeit ihrer Antlitze symbolisiert ihre Vergänglichkeit. Die iranische Künstlerin Ramesch Daha hat in ihrem vielteiligen Projekt “Unlimited History” persönliche Familiengeschichte mit internationaler Politik der 30er und 40er Jahre verwoben. Sie zeigt in ihrem Beitrag gemalte Landkarten, die einerseits das Land vergegenwärtigen wie es heute ist und damit auch die Unmöglichkeit der Künstlerin thematisieren, dorthin zu reisen. Anhand der Transiranischen Eisenbahn, die die Kaspische See mit dem Schwarzen Meer verbinden sollte, thematisiert sie die russischen, britischen und deutschen Interessen in der Region. Wie diese Interessen in das Privatleben der BewohnerInnen eingriffen, zeigt Ramesch Daha anhand der dreimaligen politisch motivierten Umbenennung der Straße, in der ihre Großmutter in Teheran wohnte. Aufschluss über die Beziehungen zwischen privatem und öffentlichem Leben gibt auch ein Research-Book, das in der Ausstellung zu sehen ist und das tagebuchartig und künstlerisch die zahlreichen Archivbesuche und andere Fundobjekte der Künstlerin dokumentiert. Manchmal entsteht beim Betrachten der Objekte der Eindruck, dass die künstlerischen Statements zu Flucht, Migration und Unterdrückung nur an der Oberfläche der Themen kratzen. Das hat unter anderem mit der Jahrhunderte alten Frage zu tun, ob Bildende Kunst das richtige Ausdrucksmittel zur Darstellung von Politik und Unterdrückung ist. Geht man jedoch den Weg einer politisierenden Kunst, so wäre ein vertiefter Zugang der Künstler wünschenswert. Ansonsten werden sie der leidvollen Themenstellung nicht immer gerecht. Die Darstellung eines „Momentums“ der Globalisierung, die Menschen wie Territorien und Datenströme betrifft, ist in dieser Ausstellung aber gelungen.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Where Are We Now? Raumproduktion, territoriale Grenzen, Migration und transnationale Fluchtbewegungen in der bildenden Kunst
10.06 - 03.07.2016

FJK3 – Raum für zeitgenössische Kunst
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
Email: office@franzjosefskai3.com
http://www.franzjosefskai3.com
Öffnungszeiten: Mi-So 12-18, Fr 12-20 h


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