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João Maria Gusmão & Pedro Paiva - Peacock/ Pfau: Das analoge Glück der 16 Millimeter

Jetzt oder nie Analogie! Nicht nur die gute alte Vinylschallplatte dreht sich wieder. Mischa Kuball hat ja nie aufgehört, mit Kodak-Karussells zu experimentieren, und in Stan Douglas haben die beiden Portugiesen, die derzeit das Haus der Kunst mit ihren Bewegtbildern in Atmosphäre versetzen, zumindest einen ganz großen Vorläufer, der niemals aufgehört hat, auf Celluloid zu drehen. Jetzt also die filmischen Arbeiten von João Gusmão & Pedro Paiva. Die Ausstellung firmiert unter der Reihe der "Kapselausstellungen". Es ist die fünfte ihrer Art und präsentiert knappe zehn Filme aus jüngster Zeit. Soeben noch junge Talente bekommen einen Raum im Haus der Kunst für die Präsentation der Arbeit. Die beiden Portugiesen, Gusmão ist Jahrgang 1979, Paiva 1977, beide in Lissabon geboren, haben die problematische Architektur des Nazibaus kurzerhand zum Verschwinden gebracht. Sie dunkeln ab, lassen Kojen bauen und inszenieren nach ihren eigenen Vorstellungen. Was zur Folge hat, dass man zu spannenden, parallelen Ansichten auf die Filme gelangt und sich in einer prickelnden Geometrie überkreuzender Blicke in dem schräg eingebauten Ständerwerk ins Schwelgen ob der analogen Bilder begibt. Die Arbeiten selbst bereichert auf diese Weise eine räumliche Komponente, die dem Betrachter stets seine eigene reale Anwesenheit bewusstmacht. Passt, weil das Hier-und-Jetzt zur filmischen Darbietung gehört. Die Künstler, die bereits 2009 den Länderpavillon Portugals auf der Biennale di Venezia bespielen durften, nutzen nicht die sterile digitale HD- oder 4K-Technik, die je nach Verstärkung höchstens mal ein Brummen von sich gibt, ansonsten aber stilles Abrufen von Daten ist. Hier rattern noch echte Projektoren, um die zwischen einer und 26 Minuten langen 16 Millimeter-Streifen lautstark auf die Leinwände zu bannen. Fehler, Aussetzer, Risse inklusive. Man schaut auf einen Pfau, der paarungsbereit Rad schlägt. Dann vertreibt er einen Rivalen. Das Bild, aufgenommen in einem Park in Lissabon, ist grobkörnig, aber farbig. Technische Grenzen? Schwer zu entscheiden, denn andere Filme erscheinen klarer. Gefilmt wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera. Doch abgespielt werden die fürs menschliche Auge normalen 24 Bilder in der Sekunde. Das erzeugt einen extremen Zeitlupeneffekt. Oder dieser Blick auf schlafende Reisende in einem Hochgeschwindigkeitszug in Japan. Da sieht man diese Menschen mit zurückgeneigten Köpfen, und man hat den Eindruck, dass alles in eine Zeit-Watte gebettet ist, die unserem herkömmlichen Ablauf im Sekundentakt vollständig widerspricht. Und was hört man? Nichts, denn Ton gibt es zu keinem Film. Nur das ewige Rattern und Klappern der Projektoren holt den Betrachter bis zum 18. September in die Gegenwart, während die Bilder eine Distanz suggerieren, die poetischerweise niemals zu überbrücken ist. Dass dabei das Abgefilmte anmutet, als habe ein Soziologe oder Ethnologe oder Tierforscher zur Kamera gegriffen, macht aus den Momenten ein geheimnisvolles Raunen auf der Grenze zum Unwirklichen. Damit kommt man auch gegen diese undankbaren Mauern an.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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João Maria Gusmão & Pedro Paiva - Peacock/ Pfau
13.05 - 18.09.2016

Haus der Kunst München
80538 München, Prinzregentenstrasse 1
Tel: +49 (0)89 21127-113, Fax: +49 (0)89 21127-157
Email: mail@hausderkunst.de
http://www.hausderkunst.de/
Öffnungszeiten: Mo – So 10.00 – 20.00, Do 10.00 – 22.00


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