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Oliver Laric - Photoplastik: Daten statt Dinghaftigkeit?

Für seine Einzelausstellung in der Wiener Secession hat Oliver Laric in die Haupthalle des Hauses Skulpturen gestellt, die er im 3D-Verfahren gedruckt hat. Es handelt sich auf den ersten Blick um zuweilen schon täuschend echt aussehende Nachbildungen von Kunstwerken und einigen wenigen Objekten aus der Popkultur und den Naturwissenschaften. Die „Photoplastiken“, so der Titel der Show, wurden in diesem Jahr speziell für diese Ausstellung angefertigt. Dazu wurden sie, nach ihrer auf Fotografien und nicht auf Scans beruhenden Modellierung in 3D, von einem 3D-Drucker in Form gebracht. So steht dann da z. B. Max Klingers „Beethoven“, 1902, als „Photoplastik“ – der Begriff stammt von Eduard Kuchinskas gleichnamigen Buch - im Raum, dazu der „Jüngling von Magdalensberg“, nach einem Abguss aus dem 16. Jahrhundert von einem römischen Original oder das „August Fickert Denkmal“, 1929, von Franz Seifert. Bereits aus der Appropriation Art kennt man die ästhetische Strategie, anhand von Kopien Fragen nach Autorenschaft und Originalität zu stellen. Die moderne 3D-Technik fügt der Beantwortung dieser Fragen erst mal nichts wirklich Neues hinzu – mit einer Ausnahme: Oliver Laric stellt auf der Webseite threedscans.com die Daten „seiner“ Artefakte zum Download und anschließendem Nachproduzieren ins Netz. Diese, wenn man so will, Demokratisierung des künstlerischen Prozesses im Web sei ein „gleichwertiger und zentraler Teil“ (Pressetext) der Ausstellung. Klingt natürlich gut, aber wird durch die Möglichkeit von Download/Nachproduktion tatsächlich der Status des Originals erschüttert? Oder ist es nicht der dabei stattfindende Transfer des Materials – z. B. Kunststoff statt Gips – der von vornherein klarstellt, dass es sich hier eben nur um billige Kopien handelt?! Auch die Tatsache, dass Laric bei den Institutionen, in denen seine „Vorbilder“ stehen, brav nach der Genehmigung für die 3D-Modelierung fragt ,macht deutlich, dass er deren Autorität letztlich doch höflich akzeptiert. Diese „Höflichkeit“ zeigt sich auch daran, dass, im Katalog präzise notiert, die „Freigabe“ von einigen Daten erst in einigen Jahrzehnten erfolgt, bei Rudolf Schwaigers „Mutter mit zwei Kindern“, 1958, z. B. erst 2049. So stellt man Urheberrechte sicherlich nicht wirklich in Frage. Altehrwürdigen (bürgerlichen) Produktionsmodalitäten ist Larics Kunst auch noch in einer weiteren Hinsicht verpflichtet, wird doch betont, dass sein 3D Modelieren „spektakuär“ sei – „genial“ also? – weil es auf einem Verfahren beruht, das „anhand fotografischer Abbildungen „manuell“ erstellt wurde“ (Pressetext). So kommt die gute alte Handarbeit dann doch zurück .... Gefragt nach der Differenz von seiner Kunst zur Appropriation Art verwies Laric auch darauf, dass der US-amerikanische Schriftsteller Hunter S. Thompson angeblich Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby“ abgetippt habe um „herauszufinden, wie es sich anfühlt einen großen Roman zu schreiben“. Ähnlich erginge es ihm, wenn er seine „Photoplastiken“ erstelle. Selbstverständlich ist diese Aussage zunächst nicht mehr als ein witzig klingendes Bonmot, denn klarerweise ist das Abtippen bzw. 3D-Nachproduzieren etwas gänzlich anderes als die jeweilige Erstproduktion. Doch dieser wohl bewusst kalkulierte Unsinn macht in Larics Fall durchaus Sinn, denn gerade der Unterschied von 3D-Kopieren und Modellieren in Gips etwa ist typisch für die veränderte Form von Materialitätswahrnehmung in Kontext der Postinternetkunst: Datenverarbeitung statt Auseinandersetzung mit Dinghaftigkeit tritt da auf dem ästhetischen Masterplan. Auch wenn diese Erkenntnis nicht gerade neu ist: Wenigstens in dem Vorführen dieses Paradigmawechsels liegt eine Qualität von Oliver Larics Ausstellung.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Oliver Laric - Photoplastik
22.04 - 19.06.2016

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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