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Wilhelm Lehmbruck - Retrospektive: Düsteres Drama

Man braucht ein wenig Geduld, wenn man die Ausstellung zu Wilhelm Lehmbruck betritt: ein süßlicher Frauenkopf, akademische Zeichnungen, ein Selbstporträt als streberhafter Student – Arbeiten wie diese rufen zunächst eher Gähnen hervor. Einzig das Selbstporträt aus dem Jahr 1902, eine Zeichnung, in der sich der Bildhauer mit skeptischem Blick und wildem Haar präsentiert, vermag die Blicke auf sich zu ziehen. Doch hat man den ersten Raum, der die Frühzeit des Düsseldorfers mit Wahlheimat Paris beleuchtet, erst mal passiert, wird es spannend. Etwa mit jener Muttergestalt, die zwischen Sorge und Furor hin- und hergerissen scheint – ein komplexes und widersprüchliches Drama spielt sich hier ab. Viele, manchmal zu viele Referenzen spannen das Umfeld auf, in dem sich der Künstler bewegte – Skulpturen und Zeichnungen von Käthe Kollwitz, Auguste Rodin, Aristide Maillol, Hans von Marées präsentieren das zeitgleiche Geschehen. Das Hauptwerk Lehmbrucks, der 1919 Selbstmord beging, pflanzt sich weiter hinten auf. Seine „Große Kniende“, die später als „entartete Kunst“ verfemt werden sollte, vermag auch heute in ihrer physischen Präsenz zu beeindrucken. Auch andere Hauptwerke Lehmbrucks faszinieren in ihrer Dramatik, die sich direkt über ihren Körper ausdrückt. Man fragt sich freilich, wie die ohnehin schon recht dunklen Bronzeskulpturen Lehmbrucks vor helleren Wänden gewirkt hätten. Die Wände im Leopold Museum sind in Dunkelblau, Tannengrün, Bordeauxrot getaucht; das soll ihnen wohl einen „edlen“ Anstrich geben. Tatsächlich vermittelt diese Düsterheit jedoch stellenweise regelrechte Grabesstimmung und verschluckt die Bronzen optisch geradezu. Zudem erscheint zwar die Gegenüberstellung von Lehmbrucks Kunst mit jener seiner Zeitgenossen häufig erhellend – einiges hätte man sich jedoch getrost sparen können: So wirken die Parallelen zwischen seinen Skulpturen und den Zeichnungen Schieles nicht wirklich überzeugend; auch die Arbeiten von Berlinde de Bruyckere, die zeitgleich selbst im Haus eine große Ausstellung hat, erscheinen hier beliebig platziert. Weniger wäre manchmal mehr gewesen.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Wilhelm Lehmbruck - Retrospektive
08.04 - 04.07.2016

Leopold Museum
1070 Wien, Museumsquartier
Tel: +43 1 525 70-0, Fax: +43 1 525 70-1500
Email: leopoldmuseum@leopoldmuseum.org
http://www.leopoldmuseum.org
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


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