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Sighs Trapped by Liars - Sprache in der Kunst: Über die poetische Qualität begrifflichen Denkens

Oder: In girum imus nocte et consumimur igni* Der Raum, das Wort, das Bild, der Raum, das Bild, das Wort etc. Was über mediale Materialisierungen derselben und die Erforschung dessen Dazwischen gesagt oder gezeigt werden kann: In „Sighs Trapped by Liars“ widmet sich die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien dem Verhältnis von Kunst und Sprache. Dabei wird zum einen die Unmöglichkeit der exakten Wiedergabe des Bildes mit den Mitteln der Sprache mitgedacht und zum anderen gezeigt, was passiert, wenn der Text bzw. das Wort bzw. der Buchstabe selbst zum Bild wird, sich offenlegt und exponiert. Das Bild als solches tritt zurück. Der Buchstabe, das Wort, der Text werden in den Blick genommen. Die Schrift reduziert die Dimensionen der Präsenz in ihrem Zeichen. Die sichtbaren Miniaturen sind im Sinne ihrer abgeleiteten Bedeutung die Form der Schrift selbst. Der Text wird also zur Folie. So vollzieht sich mittels Verräumlichung ein neuerlicher „Eintritt in das Bild“ bzw. „Akt der Bildwerdung“. Bloß durch die physische Bewegung im Raum, macht jedwedes Objekt (auch im Sinne eines thematischen Gegenstands) ein Bild, ein Phänomen zwingend. Ist der Darstellungsgegenstand hingegen das Wort, der Buchstabe selbst, kann, von dessen Bedeutungen losgelöst, allein auf formale Ausdruckswerte der „Bild-/Komposition“ wie Formanalogien und Farbkontraste geachtet werden. Auch positionale Werte im Bildganzen können relevant gemacht und mit wechselnder Aufmerksamkeit belegt werden. Dieser Vorgang meint eine Artikulation: Ein Nicht-Bild wird zum Bild – Bild-Medium, verstanden im Sinne Niklas Luhmanns, der das Medium als eine neutrale, nur lose gebundene Möglichkeitsform definiert, womit sowohl die materiell gekoppelte Formbotschaft wie auch der mit ihr verbundene, fluidale, als Möglichkeit sich äußernde und unkontrollierbare Überschuss gemeint ist. In dem fein gesetzten Arrangement entfaltet sich eine Form konkreter Poesie, die eine räumliche Dimension einnimmt. Die Ausstellung fragt gleichzeitig nach der Definition einer solchen. Meist dient die Sprache in diesem Kontext als vermittelndes Medium. Portraits and a Dream II (Art & Language, 2009), das aus 145 A3-Plakaten bestehende Werk, zum einen lesbar als Tapete an der Wand, zum anderen als Papierkette von der Decke gehängt, erinnert an die Anfänge und Entwicklungen der Sprache in der Kunst. Von den Futuristen über die Dadaisten, den Surrealisten und Lettristen bis hin zur Konzeptkunst, bewegt sich Sprache als Gegenstand und Medium bereits von Beginn an in einem in-/homogenen Feld. Besonders die KünstlerInnengruppe Art & Language, 1968 in Coventry (England) gegründet, war an analytischer Sprachphilosophie und der heuristischen Methodik Thomas S. Kuhns orientiert, demzufolge (Natur-)Wissenschaften immer auf einer „Mischung aus Gesetzen, Theoremen, Irrtum, Mythos und Aberglaube“ beruhen. „Das modernismuskritische Selbstverständnis der Gruppe basierte im Sinne einer kritischen Kunst und Kunsttheorie über den Kunstbetrieb auf selbstreflexiver Diskursbildung.“ (Sabeth Buchmann) Mittlerweile in zweiter und dritter Generation arbeitend, dokumentiert vor allem durch die Vielzahl der Zeitschriften und Bücher, stellt wohl Art-Language das wichtigste Organ der 1968 gegründeten Art & Language Press dar, deren US-amerikanische Redaktion einst Joseph Kosuth leitete. Dass auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema nicht neu ist, beweist der bereits 1972 erschienene Sammelband unter dem Titel Art & Language. Texte zum Phänomen Kunst und Sprache. Um Effekte des Sprachlichen freizulegen oder ein Problembewusstsein bezüglich ihres Repräsentationscharakters zu schaffen, agieren KünstlerInnen oft bewusst politisch und gegen die Autorität eines Expertenwissens, das in den institutionalisierten Funktionen des Kurators, Kritikers, Vermittlers, Historikers, Galeristen etc. verkörpert ist. Demgegenüber steht etwa das Modell des transdisziplinär handelnden Künstlersubjekts für eine Strategie der enthierarchisierenden Kompetenzerweiterung. Einem Reduktionismus und streng sprachanalytischen Kunstbegriff verpflichtet, verursachen die daraus entwickelten Werke so manche Rezeptionsprobleme und sind geradezu konträr zu dem antielitären Kommunikations- und Vermittlungsanspruch, wie etwa im Falle von Art & Language. Der Bogen der präsentierten Arbeiten spannt sich weit. Heinrich Dunsts räumliche Interventionen, wie etwa die Buchstaben aus rosafarbenem Dämmstoff, aktivieren dessen Umgebung, während der Bereich zwischen dem was gesehen und dem was gesagt werden kann, und stets die Unübersetzbarkeit von einem Medium in das andere, von einer Form in eine andere sowie der Zusammenhang zwischen der kontextuellen Natur von räumlichen Präsentationen erforscht sein möchten. Dabei schafft Dunst egalitäre Sichtfenster, stets bemüht die Schnittstelle zwischen Embodiment und Repräsentation auszumachen. Während transitorische Räume durchschritten und Schwellen passiert werden, trifft man unter anderem auch auf das Werk von Cerith Wyn Evans im Untergeschoss, der einen weiteren Aspekt betreffend der gesetzten thematischen Auseinandersetzung deutlich macht. Seine konzeptuelle künstlerisch-poetische Praxis konzentriert sich nämlich darauf, wie Ideen mittels Form kommuniziert werden können. Seine Arbeit aus Metall, Drahtseilen, Plexiglas und Neon in Form eines Kreises, der sich betreten oder aus der Distanz betrachten lässt, verweist mit dem Palindrom „In girum imus nocte et consumimur igni“ (2008) auf die Bewegung von Motten um Licht als auch auf einen Filmtitel von Guy Debord. Zur Ästhetik der visuellen Poesie schrieb Heinz Gappmayr, dass in dieser die Unabgeschlossenheit der Sprache etwas Konstitutives ist. „Betrachten wir die Sprache im Gesamten, so entdecken wir einige unabdingbare Voraussetzungen, die dem Anschein nach nicht zu ihr gehören, sondern zur Wahrnehmungswelt. In der visuellen Poesie wird die gegenseitige Durchdringung dieser konträren Bestimmungen zu einer Dimension poetischer Realität.“ Und Eugen Gomringer definierte dieselbe als „überschaubar, nachvollziehbar, provozierend und, vielleicht ihr größter vorzug, einfach, d.h. rätselhaft und poetisch. daß sie dabei sprach- und gesellschaftskritisch ist, kann nur demjenigen entgehen, der zwar alles verändern möchte, im übrigen aber sprache sprache sein läßt“. *dt. Wir irren des Nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verschlungen, Cerith Wyn Evans, 2008

Mehr Texte von Bettina Landl

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Sighs Trapped by Liars - Sprache in der Kunst
12.03 - 29.05.2016

KM– Künstlerhaus Halle für Kunst & Medien
8010 Graz, Burgring 2
Tel: +43 316 740 084
Email: hd@km-k.at
http://www.km-k.at
Öffnungszeiten: Di-So11-17 h


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