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As Rights Go By - Über Rechtsverlust und Rechtlosigkeit: Verlassen von Staat und Recht

In ihrer multidisziplinär angelegten Ausstellung „As Rights Go By“ im freiraum Q21 International verhandelt Kuratorin Sabine Winkler die Auswirkungen der jüngsten Wirtschaftskrise(n), die mit einem gleichzeitigen Verlust rechtlicher Grundlagen hinsichtlich einer staatlichen Verankerung des Individuums und dem daraus resultierenden sozialen Ungleichheitsgefälle verbunden sind. Spätestens seit der ersten Krise 2008 zeigt sich jener zunehmende Verlust der Mitte (ohne hier auf Hans Sedlmayrs Publikation von 1948 rekurrieren zu wollen) bzw. ein Abdriften aus einem gesicherten sozialen Gefüge, das Leute in einen Zwiespalt zwischen einem Fehlen staatlicher Sicherheit auf der einen Seite und einem Kapitalismusüberdruss auf der anderen drängt. In diesem Fall könnten auch die Interviews mit Noam Chomsky aus dem Film „Requiem for the American Dream“ aus dem Jahr 2015 Pate gestanden haben, in denen der Linguist und Philosoph sich darüber beklagt, dass der (U.S. – amerikanische) Staat die Rechte in die Hand weniger (der Superreichen) legt, die im Weiteren lediglich ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen und die Legislatur auf ihre Seite lenken – und dies ohne Rücksicht auf Verluste anderer, finanziell weniger abgesicherter Bevölkerungsschichten – was letztendlich dazu führt, dass der amerikanische Narrativ „from rags to riches“ (vom Tellerwäscher zum Millionär) außer Kraft gesetzt wird. In der Ausstellung verdeutlichen zahlreiche Positionen dieses Moment der Krise, das mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten verbunden ist. Gleich am Eingang von der MQ Innenseite bestätigt dies Andrea Ressi in ihrer MDF/Acryl Installation „Camp – Structures of Exclusion“. Sie setzt sich direkt mit dem auch im Ausstellungskonzept postulierten Ausnahmezustand in Ahnlehnung an Giorgio Agamben auseinander und setzt hierfür ihre spezifisch kodierten Sprachmodule ein. „Forced Nomadism“ oder „Transitional Shelter“ spezifizieren jene Erfahrungen von MigrantInnen aus dem Nahen Osten bzw. arabischen Raum, die seit geraumer Zeit in unterschiedlichen Ländern in Europa um Asyl ansuchen, obwohl die USA in ihrer unerbittlichen Suche bzw. Sucht nach Öl ursprünglich jene Problematik(en) geschürt hatten. Auch das Kollektiv Migrafona geht in ihrer Wandinstallation den unermesslichen Tiefen der Migrationsdebatte nach. Nikita Kadan hingegen fokussiert in seiner Teller-/Zeichnungsinstallation auf die Foltermethoden der ukrainischen Polizei, die in Sowjetmanier gefolterte Personen stets mit positivem Gesichtausdruck zeigt und dadurch jegliche Terrorvorstellungen nivelliert. Judith Siegmund wiederum nützt in gelungener Manier die ephemer erscheinenden Ovalteile des freiraums, um sie mit sprachlichen Interventionen zu befüllen. Von Flüchtlingspolitik und Rechtlosigkeit bis zu unterschiedlichen philosophischen und historischen Fragestellungen reichen die textuellen Kommentare, die die Künstlerin in den dunklen Oberbereichen der vorgegebenen Ausstellungsarchitektur als Fragen und Postulate in den Raum stellt. Sabine Winkler gelingt es in ihrer inhaltlich verstrickten Themenanalyse auch mit der Verstrickung des Raumes umzugehen, wodurch sie das Jahresprogramm des freiraums mit seinem migratorisch-sozial definierten Schwerpunkt antizipiert.
Mehr Texte von Walter Seidl

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As Rights Go By - Über Rechtsverlust und Rechtlosigkeit
15.04 - 12.06.2016

MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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