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Leiterfahrung Leiberfahrung

„Die in der Erfahrung vorgefundenen Elemente, deren Verbindung wir untersuchen, sind immer dieselben, nur von einerlei Art und treten nur je nach der Art ihres Zusammenhangs bald als physische, bald als psychische auf.“ In der „Analyse der Empfindungen“ ist das zu lesen, dem 1886 erstmals veröffentlichten Hauptwerk des österreichischen Fin de Siècle-Denkers Ernst Mach. An diesem Freitag jährt sich Machs Todestag zum 100. Mal. Grund genug, ein paar Sätze zu verlieren über seine Rolle, womöglich, für die bildende Kunst des Landes. Mach ist der Stichwortgeber für jene spärlichen Tendenzen, in denen Österreichs Bildnerei sich nicht expressionistisch geriert. Sein „Prinzip des vollständigen Parallelismus des Psychischen und Physischen“ gestattet das Mitmeinen des einen im anderen auch ohne Exaltierung. Ob einem die Dinge im Magen liegen oder sich auf die Seele schlagen ist unter diesem Fokus buchstäblich einerlei. „Die durch Vermittlung des Leibes dem Ich beigebrachten Wirkungen, die wir Empfindungen nennen“ liefern der Angleichung der Perspektiven den Leitfaden. Ernst Mach, Selbstanschauung Ich An Maria Lassnig wäre zu denken, geht es um eine nicht-expressive Untersuchung der eigenen Befindlichkeit. Und frappierend ist die Ähnlichkeit eines Blattes von ihr wie „Die Verankerung“ von 1972 mit Machs einschlägiger Zeichung zur „Selbstanschauung Ich“, die er seinem Buch beigegeben hat. In absoluter Treue zum Seheindruck skizziert Mach dabei seine Liegeposition, er hat das linke Auge allein geöffnet, und genau das Feld, das der Blick auslotet, gibt er wieder: ein Zimmer, das sich in die Tiefe erstreckt, den Unterkörper mit den sich in den Raum hinein verlierenden Beinen, die Begrenzung des Sehfeldes durch Augenbrauen, Nasenflügel, Wangenrücken. Physik des Körpers und Physiologie der Wahrnehmung gehen umstandslos ein in die seismografische Genauigkeit der Zustandsmessung. Maria Lassnig, Die Verankerung 1972 Bei Maria Lassnig liest sich das so: „Ich zeichne und male ein Bild in einer Körperlage: z.B. sitzend, aufgestützt, auf einem Arm fühlt man das Schulterblatt, vom Arm selbst nur den oberen Teil, die Handteller wie Stützen eines Invalidenstockes.“ Ins Zweidimensionale umgesetzt wird, was von einem Abdruck, einer Spur, einer Markierung durch den Filter des Fühlens geht, so dokumentarisch exakt als ließe sich Taktilität fotografieren. Am Leitfaden des Leibes wird man gewahr, dass man in der Welt ist. Christian Ludwig Attersees Prothesen, Franz Wests Passstücke, Erwin Wurms Einminüter, Elke Krystufeks Körperposituren: Das wären Weiterbearbeitungen in den nächsten Generationen. Im Hantieren mit Oberflächen, die Gefühle verlängern und Verlängerungen fühlen lassen, wird das Ich zur „Selbstanschauung“. Dieses Hantieren hat mit Druck zu tun, es ist pressiv. Es ist impressiv, denn die Wahrnehmung geht durch den Körper durch und nicht aus ihm heraus. Seltsam, dass impressives Zuwerkegehen in Österreich doch eher selten geblieben ist. An der Bedeutung von Ernst Mach kann es nicht liegen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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