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Art Rotterdam: Bürgerlicher Pflichttermin

Man muss schon sehr von der eigenen Qualität überzeugt sein, um eine Kunstmesse in Rotterdam im Februar anzusetzen. Das Austragungsdatum war aus der Konkurrenzsituation mit der ehemaligen Kunst RAI in Amsterdam entstanden, deren Mai-Termin allerdings zwischenzeitlich wieder zur Verfügung gestanden hätte. Trotz des ungünstigen Zeitpunkts hat es die Rotterdamer Messe in den letzten Jahren verstanden, sich als wichtigster mittelständischer Marktplatz der Region zu positionieren. Die Eröffnung in diesem Jahr war nicht nur außerordentlich gut besucht, sondern auch umsatzstark. Martin Kudlek aus Köln ist ganz begeistert. Nicht nur fand er das Vernissagepublikum hochkarätiger als in den letzten Jahren. Er hat gleich ein ganzes Dutzend Arbeiten von Katrin Bremermann an die Caldic Collectie verkauft, eine der wichtigsten niederländischen Firmensammlungen. Stärke und Schwäche der Messe zugleich ist die Ausrichtung auf den regionalen Markt, der die Niederlande, Belgien und in geringerem Maße Frankreich und das Rheinland umfasst. Für die größeren einheimischen Privatsammlungen und Kuratoren ist die Art Rotterdam ein Pflichttermin. Für den Großteil des Umsatzes sorgt jedoch die bürgerliche Sammlerschaft. Messedirektor Fons Hof kann seinen Markt recht genau charakterisieren: "Unser Hauptmarkt ist natürlich der hiesige. Aus Belgien kommen fast alle wichtigen Sammler junger Kunst. Aus Holland kommen sehr viele Menschen, die ich nicht unbedingt Sammler nennen würde, sondern Kunstkäufer – Menschen, die Kunst lieben und ab und zu kaufen. Das wird wahrscheinlich auf die bügerliche Tradition des 17. Jahrhunderts zurückgehen." Diese tiefe Verwurzelung in der bürgerlichen Kultur unterscheidet einheimische Sammler von denen in anderen Weltregionen. Arne Linde von der Leipziger Galerie ASPN lobt: "Was mich wirklich freut, ist, dass die Leute hier mit den Augen kaufen und nicht mit den Ohren." Gleichzeitig kaufen sie allerdings auch mit Augenmaß. Kunst fürs Wohnzimmer muss sich nun einmal an dessen Dimensionen orientieren. Die Aussteller haben sich darauf eingerichtet und zeigen vornehmlich eigenheimkompatible Formate. Fons Hof möchte das Offensichtliche nicht unbedingt bestätigen und argumentiert mit einem anderen Faktor: "Das Limit ist eher der Preis. Der holländische Markt ist sehr stark für Werke bis ungefähr 10.000 Euro. Das reflektiert die Messe in ihrem Angebot." Eine Ausnahme lässt er jedoch gelten: "Der Videomarkt ist ganz klar bestimmt von Institutionen und professionellen Sammlern." Um dieses Segment trotzdem auf der Messe zeigen zu können, gibt es die kuratierte Sektion "Projections" zum Vorzugspreis für die Aussteller. Überhaupt ist die Art Rotterdam für Galerien eine vergleichweise preiswerte Angelegenheit. Ein Stand in der verbilligten Abteilung "New Art" für junge Galerien mit Einzelpräsentationen kostet gerade einmal 2.500 Euro. Der Quadratmeterpreis für einen regulären Stand liegt bei günstigen 195 Euro zuzüglich einer Pauschale von 750 Euro für Werbung, Katalogeintrag und fünf Nächten im Hotel. Da kann kaum eine andere Messe mithalten. Deutsche Aussteller bilden unter den 99 Galerien mit zehn Teilnehmern den höchsten Ausländeranteil, noch vor den Belgiern. Allein die Hälfte von ihnen kommt aus der Hauptstadt und nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, aus der benachbarten Grenzregion. Aus Berlin sind so etablierte Galerien wie Kromus + Zink oder Newcomer wie die kein Jahr alte House of Egorn dabei. Da sich das wirtschaftliche Risiko in Grenzen hält, lohnt es sich für die Aussteller, junge und entsprechend preiswerte Positionen anzubieten. Auf großen Messen ist das kaum noch möglich, weil die Miete der Wand den Preis der daran hängenden Arbeiten duchaus um ein Vielfaches übersteigen kann. Ästhetisch etwas mehr Wagemut wäre an der einen oder anderen Stelle jedoch wünschenswert. Hier zeigen sich die Grenzen einer Kunstmesse, die vor allem an Geschmack und Möglichkeiten eines bürgerlichen Publikums gebunden ist. Zu sehen ist hauptsächlich Malerei in kleineren und mittleren Formaten; Abstraktion ist sehr zahlreich zu sehen, gesellschaftlich engagierte Kunst kaum. Allein eine Reise wert ist die Leistungsschau des Mondrian Fonds. In einer eigenen Halle werden hier Arbeiten von 50 Stipendiaten gezeigt, die jeweils im vorigen Jahr von der staatlichen Institution gefördert wurden.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Rotterdam
11 - 14.02.2016

Van Nellefabriek
3044BC Rotterdam, Van Nelleweg 1
Tel: +31 10 742 02 58
Email: info@artrotterdam.com
http://www.artrotterdam.com
Öffnungszeiten: 11-19 h


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