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Von Kunst und Kennerschaft

„Jetzt war gerade einem Berliner Financier“, so berichtet es der Direktor der Kunsthalle Bremen Gustav Pauli im Jahr 1917, „ein gutes Interieur Brekelenkams für 30.000 Mark angeboten. Er lehnte ab. Gleich darauf wird das Bild von Friedländer in einen Pieter de Hoogh umgetauft, und nun kauft es derselbe Sammler für 100.000 Mark“. Es stimmt schon, so läuft er, der Kunstmarkt, wenn er gut läuft, und der Witz von dem Sammler, der ein Werk gekauft hat und sich ärgert, weil er es beim anderen Händler glatt fürs das Doppelte bekommen hätte, geht leicht von der Hand. Bei Max J. Friedländer indes, der sich sein Middle Initial einrückte, als bei einer USA-Reise zwei seines Namens auftauchten und die Presse aus ihnen eine Personalunion mit entsprechender Verwirrung machte, bei diesem Friedländer kommt der Experte zu seiner idealen Verkörperung. Schier jedes Bild, das in der großen Zeit der Kunstgeschichte um 1900 ins Blickfeld kam, machte seine Honneurs vor dem Berliner Museumsmann, vor ihm und seinem Vorgesetzten Wilhelm Bode. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Da kommen Händler aus der ganzen Welt, aus New York, London, Paris, den Kapitalen durchaus jener Länder, auf die man im Weltkrieg gezielt haben würde, und lassen sich für ihre Schätze einen Ratschlag erteilen. Sie zeigen sich erkenntlich, lassen was da für die Gemäldegalerie oder das Kupferstichkabinett. Oder sie verkaufen gleich vor Ort, denn Bode und nach seinem Abgang 1922 sein bester Mitarbeiter Friedländer allein wussten sich einige Gründerzeit-Barone gewogen zu halten, die vorfinanzierten. Berlin hatte keine Tradition adeliger Kollektionen. Was Museumsinsel und Kulturforum zusammen hält, ist zu einem Gutteil der Kauferfolg weniger Jahrzehnte. Friedländer sind nun einige „Biografische Skizzen“, wie es mit schönem Understatement im Untertitel heißt, gewidmet. Simon Elson zeichnet nach, wie der 1867 geborene Abkömmling eines Bank- und Juwelierhauses, der 200 Meter vom Alten Museum entfernt aufwuchs und seine Kindheitsabenteuer in den Gemälden fand, zur Autorität schlechthin wurde. Er wurde es durch seine Streifzüge zu den Originalen, er dissertierte über Altdorfer, dessen Altar von Sankt Florian er erkannte, und entwickelte sich vor allem anhand der alten Niederländer. Das Hauptwerk der Gemäldegalerie, ein unerhörtes Stück Monumentalität, wo man sie nicht erwartet, der Monforte-Altar des Hugo van der Goes, geht auf seinen Jagdinstinkt zurück. Und Friedländer publizierte seine Tätigkeiten speziell in feinen Aphorismen. „Akademiker betreten das Museum mit Gedanken. Kunstkenner verlassen es mit Gedanken“, geht einer. Ein anderer wendet sich an den Verfasser einer falschen Zuschreibung: „Ich sehe jetzt, Kollege, dass Sie zwei Maler nicht kennen.“ Oder: „Die Wahrheit ist verwickelter als der Irrtum“. Schließlich sein bekanntester: „Kunstbesitz ist so ziemlich die einzige anständige und von gutem Geschmack erlaubte Art, Reichtum zu präsentieren“. Er agierte in aller Unermüdlichkeit mit dem Pflichtbewusstsein des preussischen Beamten. Er täuschte sich bisweilen in seinen Zuschreibungen, doch fielen sie mit eklatant größerer Treffsicherheit aus, wenn er für das eigene Haus und nicht für den Handel arbeitete. Er ließ sich Gratifikationen gern gefallen, doch immer kamen sie den Museen und niemals der eigenen Kasse zugute. Das größte Geschenk, das man ihm machen konnte, war ein persönlicher Ankaufsetat fürs Haus. Die Nazis haben ihn aus dem Amt gejagt. Der Brain Drain trieb ihn nach Amsterdam, wo er 1958 starb, „ungeküsst“, wie der Biograf mutmaßt. „Von Kunst und Kennerschaft“ nennt er die kurze, prägnante Summe seines Wissens, zu Papier gebracht in der inneren Emigration der späten 30er. Hier findet sich, Ausgabe Reclam 1991, S. 121, eine seiner schönsten Bemerkungen, versehen mit einem der ganz wenigen Ausrufezeichen von seiner Hand: „Man male sich aus, wie dem Kunstfreund zumute war, der in Castelfranco vor Giorgiones Altarbild trat, als noch keine Photographie davon existierte, und diese Begegnung mit dem Werke etwa zugleich als die letzte betrachtete. Wie muß Erregung die Aufnahmefähigkeit gesteigert haben!“ Simon Elson, Der Kunstkenner Max J. Friedländer. Biografische Skizzen, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2016
Mehr Texte von Rainer Metzger

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