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viennacontemporary: Frischer Wind aus Südost

Die allgemeine Skepsis war groß im Vorfeld: Neuer Name, neuer Ort, dezentrale Lage und dann auch noch ein Russe als Eigentümer. Kaum jemand in Wien oder außerhalb hätte allzu hohe Wetten auf ein gelungenes Debut der viennacontemporary abgeschlossen. Gekommen ist es anders. Befreit von der terminlichen und infrastrukturellen Fessel des Messekonzerns Reed Expositions, hat die neue alte Kunstmesse Wiens an ihrem Eröffnungstag einhelliges Lob von Besuchern und Ausstellern erfahren. Das alte Team um Christina Steinbrecher-Pfandt (verantwortlich für die Kunst) und Reger van den Heuvel (zuständig fürs Geld) unter dem Besitzer Dmitri Aksenov hat es geschafft, in der Marx Halle im Wiener Südosten nicht nur fast alle wichtigen Wiener Galerien zu versammeln - sogar Thaddaeus Ropac aus Salzburg und Paris ist wieder dabei. Bei 99 teilnehmenden Galerien ist zudem ein exakter Drittelmix gelungen, dem die Messe ihr einzigartiges Profil verdankt. Je zu gleichen Teilen stammen die Aussteller aus Österreich, dem Westen und aus dem CEE genannten Raum des östlichen und südöstlichen Europa. Nach dem Absprung der Erste Bank als Sponsor letztgegannter Sektion hat die russische Sberbank ihr Engagement ausgebaut und fördert jetzt auch die Auftritte dieser Galerien. Allein dafür lohnt sich der Weg nach Wien. Dabei sind es nicht nur die Exoten, die man sonst nirgendwo zu sehen bekommt. Auch etablierte Galerien der Region bleiben Wien treu. Temnikova & Kasela aus Tallinn existieren seit fünf Jahren und sind seit ihrer Gründung in Wien dabei, haben es in der Zwischenzeit allerdings bereits auf die Liste Basel und Frieze New York geschafft. Mit Flo Kasearus "Uprising" (Ed. 5, 6.000 Euro) zeigen sie eines der wenigen Videos außerhalb des ambitionierte Filmprogramms. Darin flexen und falten zwei Männer vier gigantische Papierflieger aus dem Blechdach des Hauses der Künstlerin. Hintergrund der Arbeit ist der Ukraine-Krieg, der in Estland starke Ängste bezüglich des aggressiven Nachbarn Russland ausgelöst hat. Die russischen Sammler im Schlepptau des Eigentümers dürften sich eher weniger für die subtilen und widerständigen Teile des Messeangebots interessieren. Sie werden von Branchenvertretern aus ihrer Heimat besser bedient. Was die Leistung der Messe für den Standort allerdings nicht schmälert. Diesseits des Balkans richten sich einige Aussteller ebenfalls auf den speziellen Fokus der Wiener ein. Volker Diehl aus Berlin leistet sich einen extravagenten Stand ausschließlich mit Arbeiten der ukrainischen Künstlergruppe Alliance 22. Ihre Mitglieder spüren mit ihren monochromen Gemälden erstaunlich facettenreich dem Erbe des Suprematismus nach. Geld verdienen lässt sich damit für den Galeristen nicht - bei Preisen von 600 bis 16.000 Euro und einem gefühlt tennisplatzgroßen Stand. "Man muss auch mal etwas Unvernünftiges tun", erklärt er - "um sich der eigenen Freiheit zu vergewissern." Sven Ahrens von Hammelehle und Ahrens aus Köln hat sich bewusst jetzt für die Erstteilnahme entschieden: "Wir verfolgen das von Anfang an. Durch die Neustrukturierung wurde es für uns erst interessant." Die Aufbruchstimmung des Neuen begreifen die Rheinländer als Chance: "Das eröffnet ganz neue Spielbedingungen. Die Messe hatte ja schon über Jahre ihr ganz eigenes Standing. Wir fanden es spannend, dass sie sich jetzt autonomisiert." Monika Branicka von Żak I Branicka aus Berlin ist ebenfalls sehr angetan vom neuen Erscheinungsbild der Messe und der Qualität des Publikums. Jörk Rothamel aus Erfurt und Frankfurt am Main hat als Erstteilnehmer den Großteil der Gemälde einer Einzelpräsentation von Eckhart Hahn verkauft, zum Teil im Vorfeld, zum Teil allerdings auch an neue Kunden auf der Messe. Rosemarie Schwarzwälder von der Wiener Galerie Nächst Sankt Stephan hat vermehrten Besuch aus dem Ausland ausgemacht. Um 20 Prozent habe man das Sammlerprogramm ausgebaut, heißt es dazu von Seiten der Messe. Ein bisschen Dissonanz muss es in Wien natürlich immer geben. Der Messekonzern konnte die Schmach des Abgangs nicht auf sich sitzen lassen und hat den Namen Viennafair zusammen mit der Halle einem anderen Veranstalter überlassen. Der verspricht, ebenfalls eine internationale Kunstmesse veranstalten zu wollen. Zwei Wochen vor deren Beginn ist allerdings noch nicht einmal die Liste der Aussteller in Erfahrung zu bringen. Clou der Veranstaltung soll eine "Masters" gennannte Sektion sein, in der ältere Kunst präsentiert wird. Auf diese könnte sich die Messe jedoch weitgehend beschränken müssen, weil sich kein renommierter Wiener Galerist zu der Veranstaltung bekennen möchte. Ursula Krinzinger erklärt: "Solange ich hier im Beirat bin, kann ich an keiner anderen Wiener Messe teilnehmen." So etwas wie einen Zulassungsausschuss unterhält die Viennafair übrigens nicht. Auf Anfrage erklärt die veranstaltende art-port GmbH: "Es gibt kein Komitee. Die Auswahl der Galerien haben wir intern sehr detailliert und genau besprochen. Wir haben uns mit beinahe allen Galeristen persönlich getroffen und uns ihr Konzept für die Messe vorstellen lassen." Das ist ein zumindest ungewöhnlicher Zugang zum Kunstmessegeschäft. Wie man mit dieser Strategie die angestrebte Internationalität erreichen will, dürfte sich Nicht-Wienern nur schwer erschließen. Da ist die Viennacontemporary eindeutig auf einem besseren Weg.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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viennacontemporary
24 - 27.09.2015

viennacontemporary
1030 Wien, Marx Halle / Karl-Farkas-Gasse 19
http://www.viennacontemporary.at
Öffnungszeiten: Zugang nur zu gebuchten Timeslots


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