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Julia Bornefeld: Rogen von nächtlichen Fischen

Achtung verletzlich. Bündelweise hängen die verschieden großen Kugeln zu herab. Das sieht aus, wären es die Luftballons eines Jahrmarktverkäufers – auf den Kopf gestellt. Allerdings: Kein Helium lässt sie schweben. Sie sind der Schwerkraft unterworfen. Dabei sind die Kugeln keineswegs aus profanem Kautschuk, sondern aus edelstem Material, nämlich Muranoglas. Und sie sind so schwarz wie beinahe die gesamte Ausstellung mit jüngsten Arbeiten der 1963 in Kiel geborenen Julia Bornefeld, denen die Galerie Elisabeth & Klaus Thoman in ihrem Innsbrucker Stammhaus eine konzentrierte Werkschau widmet. Gut zehn Arbeiten aus diesem Jahr in den unterschiedlichen Medien der vielseitigen Künstlerin sind zu sehen, mit denen sich der Betrachter in seiner Bedeutungsfreude gehörig verwirren lassen kann. Im Zentrum der Schau nimmt die verschieden zu installierende Arbeit "Knots" (Knoten) gleich den größten Raum ein. Der armdicke Schaumstoff wird von nachtschwarzem, glänzenden Nylonstoff. Die Arbeit hängt wie eine sich windende Schlange von der Decke. Sie bildet in nicht genau zu bemessenden Abständen dicke Knoten. Man stelle sich einen Riesen vor, der damit seine Stube abmisst. Oder betet er den selbst geknüpften Rosenkranz? In der Ausstellung kultiviert Bornefeld die Offenheit. Schwarz auf Weiß bekommt man die Hoheit des nicht zu Deutenden exerziert. Aber warum auch sollte man sich festlegen? Die Kunst von Bornefeld besteht vielmehr darin, dass sich immer wieder Momente eines Gedankens herausbilden. Ganz so wie die Knoten. Und dann verschwinden sie wieder – vielleicht zugunsten des reinen Anblicks. Der beispielsweise ganz wunderbar Freude bereitet, wenn man auf die Leinwände in der Galerie schaut. Deutungsvielfalt erzeugen nämlich auch die exzellenten Arbeiten mit Tusche auf Leinwand. Die Künstlerin nennt diese "Pads" – Kissen, Polster, Tupfer. Da bauscht sich etwas auf, zerfasert zu Wolkengebilden. Aber das trifft es alles nicht. Man möchte die ganzen Assoziationen verwünschen, aber an diesen Bildern scheitert jeder Wille zur Beschreibung. Gegen diese sichtbaren Dynamiken setzt Bornefeld eine Reihe von Verunsicherungen, die eine Frage nach dem Materialstatus aufrufen und eine eindeutige Antwort zugleich verweigern. "Gaia" oder "Melas" bestehen entweder nur aus Gummi oder kombinieren Stahl hinzu, was allerdings eigentlich gar nicht aus den Oberflächen ersichtlich wird. Sie geben ein Rechteck vor, das Tiefe besitzt, weil es aus sich überlagernden Schichten von Rastern besteht. Auf diesen Flächen quellen dann Durchbrüche aus dem Raster, das ohnehin nie absolut geometrisch ist, hervor. Da hängt dann ein Gebilde aus "Gummiseilen" über dem Metall und konfrontiert den Betrachter mit der Unsicherheit materieller Zuordnungen. "Somniflos" heißt die Arbeit aus Muranoglas – und so heißt auch die Ausstellung bei Thoman. Aber sind die schweren schwarzen Kugeln wirklich Ballons? Oder sind sie der Rogen von nächtlichen Fischen, deren Größe wir nur in unseren Träumen erahnen? Julia Bornefeld entzieht den Dingen ihren eindeutigen Sinn und erzeugt spannungsgeladene Assoziationsfelder, die vielleicht den sichtbaren Sachverhalt treffen, aber so ganz lässt sich das nicht festlegen.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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Julia Bornefeld
05.09 - 07.11.2015

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
6020 Innsbruck, Maria-Theresien Straße 34
Tel: +43-1-512 -57 57 85, Fax: +43-1-512 -57 57 85 13
Email: galerie@galeriethoman.com
http://www.galeriethoman.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-14 h


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