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Mohau Modisakeng: Kritischer Hochglanz

Scheuklappen sind exzellente Instrumente zur Angstbeseitigung. Sie sorgen für einen kanalisierten, stromlinearen Tunnelblick. Sie sind sprichwörtlich, machen gefügig und mindern treu die doch ach so schreckliche Komplexität des Daseins. Es gibt einen, der sie, so scheint's, voller Stolz trägt: Mohau Modisakeng aus Soweto. Die gehören nämlich zu seiner persönlichen Ikonografie einer Welt aus Schwarz und Weiß. Der Reigen der Bedeutungen tanzt lebhaft, wenn sich das Auge den Bildern seiner Ästhetik aus elitärer High-End-Technik öffnet. Das verwirrt den Geist, denn wir konnotieren mit dieser Bildgüte eher Erzeugnisse der Hochglanzindustrie, Werbung oder Hollywood. Doch warum sollte kritische Kunst nicht in erschreckend schönen Bildern daherkommen? Diese Frage stellt man sich unwillkürlich, wenn man sich dem Werk des 28-jährigen Südafrikaners nähert. Der Kunstraum Innsbruck zeigt heuer in einer konzentrierten Werkschau mit zwei Fotoarbeiten, drei Videos und einer Installation Relikten der Eröffnungsperformance eine ebenso spannende wie kontroverse Auseinandersetzung mit der südafrikanischen Realität – einer Gegenwart, die keine Ruhe kennt. Modisakeng kommt aus einer Gesellschaft, weiß Karin Pernegger, Direktorin des Kunstraums, zu berichten, von der wir in Europa in der Regel nur den Blick der Touristen zu sehen bekommen. Immer noch ist das Land gebeutelt von den Folgen der Apartheid. Es herrschen Korruption und Misswirtschaft, und weil es dennoch das wirtschaftliche Zugpferd des schwarzen Kontinents ist, bildet es auch den Magneten für zahllose Flüchtlinge. Mit Blick auf die gegenwärtigen Debatten in Europa sollte dies medial zur Kenntnis genommen werden, wünscht sich der Künstler. Und Recht hat er. Was wissen wir denn schon hierzulande von der Kultur dort? Flughafenskulpturen bringen da nur kunsthandwerklichen Kitsch in die Wohnzimmer. Eine Auseinandersetzung sieht anders aus. Wie viel Kraft spricht dagegen aus den Bildern des jungen Bildhauers, der bei Jane Alexander studierte. In Innsbruck begegnet man einem überschaubaren Gegenstandsinventar. In beinahe allen Arbeiten dominieren Schwarz und Weiß. Immer wieder tauchen die Machete, eine weiße Axt, aber auch ein Pflug auf. Modisakeng, inspiriert von Joseph Beuys und Matthew Barney, inszeniert sich stets selbst und mit High-End-Kameratechnik. Etwa in der Serie "Untitled (Metamorphosis)". Das sind zwölf Fotografien, die in diesem Jahr entstanden, quadratische Ausdrucke mit 120 Zentimetern Seitenlänge. Vor einem nachtschwarzen Hintergrund hebt sich schemenhaft-malerisch der Oberkörper des Künstlers ab. Von Bild zu Bild verschwindet er, selbst wenn sein Antlitz gelegentlich zu erkennen war. Er ist im letzten Bild mit weißem Kreidestaub, aber nahezu unkenntlich überzogen. Und man fragt sich, was da verschwindet. Der diesjährige Vertreter Südafrikas auf der Biennale von Venedig arbeitet immer mit extrem suggestiven Bildern. In seiner zehnminütigen Performance zur Eröffnung, die mit einem Video in der Schau dokumentiert wird, sieht man das doppelte Rollenspiel. Mal agiert er links, mal rechts von einem schwarzen Tisch. Es scheint auf den ersten Blick ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis zu herrschen. Nach einer Weile und nachdem das Klingen kleiner Glöckchen, die für einen Dialog stehen, verstummt sind, sprechen Macheten, die theatralisch, beinahe schon ritualisiert, auf den Tisch niedergehen. Dann schleppt Mohau Modisakeng, in traditionelle Trauergewänder gehüllt und mit den obligaten Scheuklappen ausgestattet, mehrere Säcke Kohle, schüttet diese auf den Tisch. Wieder und wieder haut er darauf mit der metallenen Waffe. Es geht um Rohstoffe, es geht um den Rollenwandel und um das Handeln, das uns prägt – unabhängig von der Hautfarbe. Und es ist gibt einen konkreten, martialischen Bezug. Im Jahr 2012 ereignete sich – die Apartheid war längst Geschichte – das Massaker von Marikana, das ganz gut verdeutlicht, wie zwiegespalten die Situation in diesem Land ist. Eine Mine wird bestreikt. Man kann sich denken, dass die Situation für die Malocher dort nicht rosig ist. Der Streik kostet Anteilseigner Geld, und die sollen in der Regierung sitzen, so die Gerüchte. Die Polizei greift zu, kesselt den Kern der Protestler ein und richtet ohne Legitimation 34 Streikende hin. Was bedeutet vor diesem Hintergrund schon das spätere Zugeständnis einer Lohnerhöhung? Rohstoffe und Magie, Rituale und Gewalt – es sind diese verschiedenen und starken Inhalte, die hinter den Arbeiten des Sohns eines Künstlers und einer Heilerin stehen und die immer wieder ins Bewusstsein kommen. Alles ist schwarz und weiß, und manchmal wird der Schwarze zum Weißen durch Kleidung oder Kalk und umgekehrt. Dieses stete Wechseln verdeutlicht die grundsätzliche Problemlage in Südafrika, die Mohau Modisakeng in enorm starken und verstörenden Bildern verdichtet – wenn das Politische, das Kritische im Hochglanzformat daher kommen.
Mehr Texte von Matthias Kampmann

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Mohau Modisakeng
05.09 - 24.10.2015

Kunstraum Innsbruck
6020 Innsbruck, Maria-Theresien Strasse 34
Tel: +43 512 58 4000, Fax: +43 512 58 4000-15
Email: office@kunstraum-innsbruck.at
http://www.kunstraum-innsbruck.at
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 13-18, Do 13-20, Sa 10-15 h
Feiertage geschlossen


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