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Die Berliner ART

Ein sommerlicher Freitagabend im Grünen Salon der Volksbühne. Berlins nicht mehr ganz junge „Mitte-Kunstszene“ trifft sich zu einem salonartigen Abendprogramm. Skulpturen mehr oder weniger namhafter KünstlerInnen stehen beiläufig im Saal herum wie grüne Zimmerpflanzen. Ihre trashige Ästhetik zwischen Konzept und Postpop erinnert an die glorreichen 90er Jahre, langweilt letztlich aber angesichts ihres epigonalen Charakters. Langsam füllt sich trotzdem der Saal, die üblichen Verdächtigen versammeln sich: Junge „upcomig“ sowie international gerade angesagte Künstler schauen ebenso vorbei wie etwas ältere, gerade ein wenig in Vergessenheit geratene Kollegen. Dazu kommen landesweit mehr oder weniger bekannte Kuratoren und Schreiber, einige Junggaleristen, zudem kunstinteressierte Mode- und Werbeleute. Alle übertreffen sich gegenseitig an Coolness, nippen am überteuerten Bier und erzählen vom anstehenden, ach so dringend benötigten Urlaub. „Genau.“ Dann eine Performance: Ein Dichter liest eigene kurze Werke, selbstverständlich erst, nachdem er sich der eleganten Hose entledigt hat. Anschließend verschenkt er seine auf Papier geschriebenen Elaborate und zieht, warum auch immer, seine Hose wieder an. Man amüsiert sich, hängt bedeutungsschwanger ab, langsam, aber sicher wird es voll. Musik wird selbstverständlich auch gegeben, ein szenebekannter DJ legt bis weit nach Mitternacht auf. Man ist sich einig: ein gelungener Abend. Was sich hier liest wie ein Drehbuch für eine SAT-1-Serie ist eine tatsächlich stattgefundene Realsatire, ein unfreiwilliges Porträt weiter Teile der Berliner Kunstszene, die mehr und mehr an ihrem eigenen Mythos zu Grunde gehen droht. Im Würgegriff von globalisierter Hippness und karrierebewusstem Ehrgeiz, von Hybris und galeriengeschmeidigem Werkbegriff meint man sich hier irgendwie ernst zu nehmen, allerdings, frei nach Immanuel Kant, ohne mit ihrer Kunst mehr zu wollen als nichts zu wollen. Und solange der Markt da vergnüglich mitspielt, sind alle mit sich im Reinen.
Mehr Texte von Raimar Stange

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