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Bon Voyage - Historisches Reisegepäck

Einer der wenigen, die stabilen und schweren Überseekoffern oder edlen Reiseutensilien in Leder, wie gemacht für die Ewigkeit, gar nichts abgewinnen konnten, ist nachgewiesenermaßen Hans Moser im Film "Hallo, Dienstmann". Für viele Liebhaber von Reiseantiquitäten hingegen stellt sich schon beim Anblick vergilbter Aufkleber der "Cunard Line" Fernweh ein: mehrtägige Transatlantik Passagen auf einem Ocean-Liner oder Reisen in eleganten Zügen wie dem "Orient-Express" kommen einem in den Sinn. Mit dem richtigen Gepäck, versteht sich. Die edlen Gepäckstücke selber zu tragen, das käme freilich nicht in Frage. Wobei wir wieder bei Hans Moser und seiner Paraderolle wären. Ein mittelgroßer Lederkoffer im leeren Zustand wiegt nun mal schon etwa 16 Kilogramm. Wer solche Strapazen nicht schätzt, der kann Reise-Antiquitäten einfach nur sammeln. Und dabei ein wenig von fernen Ländern träumen. Wo finden? Wie bei allen Sammelgebieten gibt es auch bei diesem unterschiedliche Methoden, fündig zu werden. Auf Flohmärkten im In- und Ausland schwanken Angebot, Zustand und Preis sehr stark. Bei auf Reiseantiquitäten spezialisierten Händlern zahlt man in der Regel mehr, hat aber eine bedeutend größere Auswahl von Stücken in gutem bis exquisiten Zustand. Dennoch nehmen die Bestände rapide ab. Ein Grund dafür liegt unter anderem darin, dass es sich bei Koffern, Hut- oder Kragenschachteln, Reise-Necessaires, sowie "Quetschbügel-" oder Kutschentaschen und dergleichen um Gebrauchsgegenstände handelte, die auf Reisen dementsprechend beansprucht wurden. Trotz handwerklich hervorragender Verarbeitung ging die Zeit daran nicht spurlos vorüber. Demnach ist der Erhaltungszustand oft sehr unterschiedlich. Stabile Überseekoffer oder Kutschentruhen, ob blechbeschlagen, außen mit Leinwand oder Leder bespannt, mußten nicht nur Reisen unbeschadet überstehen, sondern auch ihren Inhalt unversehrt ans Reiseziel bringen. Das Handgepäck war teils mit Leinen-Schutzüberzügen versehen, um das Leder vor Beschädigung zu schützen. Historisch gesehen ist der Reisekoffer als Handgepäck das jüngste Glied in der Kette. Kutschentaschen und -truhen gab es bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Das Eisenbahn-Zeitalter ließ praktikablere Gepäckformen mit größerem Gewicht zu. Das Verstauen solch großer Gepäckstücke überließ man auf Reisen ohnehin den eilfertigen Dienstmännern. Mit dem Zeitalter des Automobils kamen Autokoffer, passend für das jeweilige Modell gefertigt, in Mode. Der oberste Koffer solcher meist mehrteiligen Sets war an den Kanten oft abgeschrägt, um in dem Kofferraum zu passen. Kleinere Gepäckstücke fanden bei Überland-Fahrten festgezurrt auf den seitlichen Trittbrettern oder großen Gepäckträgern ihren Platz. Die Automobile sind längst Geschichte, die Koffer findet man heute noch ab und an. Historisches Reisegepäck gibt es von unterschiedlichen Herstellern. Wer repäsentieren wollte, wählte Gepäckstücke von Louis Vuitton, damals wie heute nobel und teuer. Koffer mit den begehrten Initialien sind äußerst kostspielig und von Sammlern sehr gesucht. England ist, wohl wegen der kolonialbedingten Reisenotwendigkeit der Briten, ein Dorado für Sammler alten Leders. Mit ein wenig Glück findet man dort sogar eines gesuchten Tee-Sets im Pic-Nic-Format. Reisetauglich, versteht sich, denn wer will schon gerne auf den Fünf-Uhr-Tee verzichten? In Deutschland ist Moritz Mädler als Koffermanufaktur ein Begriff für feine Reise-Utensilien, in Österreich waren zu Zeiten der Monarchie edle Koffer und Reiseaccesoires aus dem Hause M. Würzl & Söhne (Wien, Karlsbad) erste Wahl. Obwohl in der Qualität durchaus mit Louis Vuitton vergleichbar, sind Stücke von Würzl teils noch günstig zu finden. Eine Aufarbeitung der Firmengeschichte dieses bedeutenden Lederwarenherstellers steht übrigens bislang noch aus. Vorsicht Imitat Leder war von jeher teuer. Das ist mit der Grund dafür, warum es Koffer gibt, die auf den ersten Blick wie Lederkoffer wirken, tatsächlich aber aus günstigeren Materialien wie z.B. vulkanisierter, geprägter Pappe, hergestellt wurden. Dem Einfallsreichtum schienen, speziell in der ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, jedenfalls kaum Grenzen gesetzt. Der günstigere Herstellungspreis allein war indes nicht immer das Hauptargument: neue Materialien ermöglichten deutlich weniger Gewicht bei höherer Stabilität. Auch optisch hat man sich immer wieder etwas einfallen lassen, um mit dem begehrten und darum teuren Krokodil-Leder konkurrieren zu können. Besondere Prägeverfahren halfen, normales Schweins- oder Rindsleder in Kroko-Imitat zu verändern. Um Fehlkäufe zu vermeiden hilft nur genaues Prüfen der angebotenen Ware. Der Zustand Aufgrund ihres Alters und des doch erheblichen Gebrauchs ist der Zustand vieler Stücke nicht der beste. Wer Stücke findet, die sich im raren, ungebrauchten Originalzustand befinden, kann sich also glücklich schätzen. Das kommt übrigens selten aber doch vor. Meistens ist jedoch das Leder fleckig, die Kanten abgestoßen, die Tragegriffe gebrochen oder eingerissen. Solche Schäden sind nur mit großem Aufwand reparierbar. Griffe können ersetzt werden, die originale Lederqualität oder Farbe zu finden, bringt oft Probleme mit sich. Risse oder Brüche können zwar repariert werden, aber nur an Stellen, die mechanisch (Quetschfalten bei den Doktor-, oder Hebammentaschen) nicht belastet werden. Aufgegangene Nähte hingegen läßt man vom Sattler nachnähen. In vielen Fällen ist das Leder, da über Jahrzehnte nicht gepflegt, trocken und rissig geworden. Hier hilft Sattelseife mit Lanolin aus dem Reitsportbedarf als erste Maßnahme zur Reingung und Regeneration. Ebenfalls aus dem Reitsportbedarf kommen Pflegemittel wie Lederfett oder -öl, die nach dem Reinigen das Leder wieder geschmeidig und wiederstandsfähig machen. Öl- oder Wasserflecken lassen sich übrigens nicht entfernen. Reinigungsbenzin oder Spiritus sollte nur sehr vorsichtig verwendet werden, um z.B. Schimmel abzutöten. Beides hinterläßt, nimmt man zuviel davon, allerdings Flecken, die nicht mehr entfernt werden können. Literatur Über die Geschichte des Reisegepäcks samt hilfreicher Adressen für Sammler informiert, allerdings mit anglo-amerikanischem Schwerpunkt, das Standardwerk von Helenka Gulshan: Vintage Luggage, 1998 Philip Wilson Publishers Limited, London. Eine der größen, allerdings nicht öffentlichen Sammlungen historischen Reisegepäcks in Österreich befindet sich im Besitz von M. Bräuer/Wien Spezialisiert auf hochwertige Reiseuntensilien: Sams & Son Pierre N. Schmoock Fraunhoferstr. 23 D-80469 München + 49 (0)89 2015735 Reiseantiquitäten Priti Shambhu Antikmarkt Friedrichstraße D-10117 Berlin +49 30 208 26 81 The Vintage Louis Vuitton Dealer www.rcookco.com Christie`s und Sotheby`s haben ebenfalls eigene Spezialauktionen zum Thema
Mehr Texte von Thomas Kahler

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