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Zwiespältige Allianzen. Bürgerbegehren zum Bonner Kulturbudget.

Die Einnahmen zu erhöhen, oder die Ausgaben zu senken, sind grob gesprochen die Optionen der öffentlichen Hand, wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Kredite seien hier als Einnahmenpotenziale behandelt, denen Ausgaben in Form von Zinsen gegenüberstehen. In grober Vereinfachung lässt sich daher auch der gegenwärtige kulturpolitische Spielraum entlang dieser Handlungsoptionen beschreiben. Die Hoffnung auf Erhöhung der Einnahmen wird dabei gerne auf den privaten Sektor projiziert. Dies umso mehr als die öffentlichen Stellen zuletzt an der Beschaffung zusätzlicher Einnahmen scheiterten, da diese entweder gesamtstaatlich – als neue Steuern – nicht eingeführt werden, oder weil Erhöhungen der Kulturbudgets nicht stattgefunden haben. In dieser Situation werden häufig Forderungen nach Umverteilung der vorhandenen Mittel laut. Diese scheinbar zusätzliche Option überträgt jedoch das eingangs erwähnte Problem nur auf die Ebene von Teilbudgets, in denen dann eben an einer Stelle erhöht und an anderer Stelle gekürzt werden muss. Dass Verteilungskämpfe zu zwiespältigen Allianzen führen können, zeigt eine Kontroverse um das Budget der ehemaligen deutschen Hauptstadt Bonn. Diese Auseinandersetzung hat sich an Sparplänen einer schwarz-gelb-grünen Stadtregierung entzündet, die unter anderem die Schließung einiger Stadtteilbüchereien und die Erhöhung von Eintrittsgebühren für städtische Bäder beinhalteten. Da sich der Protest besonders gegen die weiterhin hohe Förderung der Bonner Oper artikulierte, wurde die Aufregung von Kommentator/innen auch als »Opern Pegida« bezeichnet. (1) Nach einigen Wendungen kam es im April zu mehreren, in der Bonner Stadtverfassung vorgesehenen, Bürgerbegehren. Die unter dem unauffälligen Titel »Bürgernahe Dienstleistungen absichern« zusammengeführten Forderungen stellen einen Mix aus Sportlobbying, Populismus, Elitenkritik und Basiskulturbewegtheit dar, den es sich genauer zu beachten lohnt, gerade weil Bereiche zusammenführt werden, die in anderen Konstellationen gerne gegeneinander gestellt werden. Denn die Initiator/innen handeln nicht ungeschickt, indem sie die Rhetorik der Basiskultur für Sportanlagen ebenso einsetzen, wie für Bibliotheken, Ganztagsschulen und Bäder. Wüsste man nicht, dass der Hauptinitiator des Begehrens als Funktionär eines lokalen Sportverbandes agiert, könnte man eher an Texter/innen aus der freien Szene denken, wenn man die »No-Na«-Frage des Begehrens liest: »Soll die kulturelle Grundversorgung durch Stadtteilbibliotheken, Offene GanztagsSchulen (OGS), Bäder, Sportstätten ohne Nutzungsgebühr und freie Kultur in ihrer Gesamtheit erhalten bleiben und diese dauerhaft als notwendige Infrastruktureinrichtungen abgesichert werden?« Den deutlicheren Text hat man sich für das Parallelbegehren »Weniger Oper, mehr Vielfalt« vorbehalten, in dem beantragt wird »die städtischen Zuschüsse für Opernvorstellungen auf 13 Mio. Euro sowie ab dem 1.8.2016 auf 8 Mio. Euro zu reduzieren (also jeweils um ca. 5 Mio. Euro), [...] und dadurch frei werdende Gelder in gleichen Teilen für den Erhalt der Sportstätten und Schwimmbäder, eine erhöhte Förderung der Sportvereine, den Aufbau einer freien Kulturszene, eine verbesserte Betreuung von Kindern in KiTas und offenen Ganztagsschulen sowie für eine schrittweise Haushaltskonsolidierung zu verwenden.« Bonn verfügt nicht zuletzt wegen seiner Hauptstadtvergangenheit über einen recht großzügig finanzierten Opernbetrieb. Zusätzlich verkompliziert wird das Bonner Bild durch die Vermengung von Kampfvokabeln wie »Luxuskultur« mit der Besitzstandswahrung auf Seiten der Sportfunktionäre, und einer zusätzlichen Frontlinie, die mit dem umstrittenen Bau eines Festspielhauses zu tun hat, dem auch manche Opernunterstützer/innen kritisch gegenüber stehen. Zwar ist dies eine sehr spezifische Konstellation, doch kann sie als beispielhaft dafür gelten, wie unübersichtlich die Gesellschaft der Kunst- und Kulturfreunde werden kann, wenn sie nicht mehr mit einer allumfassenden Fürsorge pazifiziert wird. Denn hinter der Forderung einer »Kultur für alle« war immer auch eine latente Ablehnung der »Hochkultur« zu finden, doch konnte dieser Skepsis in den Boomjahren leichter mit pluralistischen Fördergießkannen begegnet werden. Zugleich ermöglichte die Kunst selbst – durch ihre Hinwendung zu Soziokultur, Alltagsleben und politischer Praxis – jene Allianzenbildungen, die aber nicht überall zu einem großen Schulterschluss zwischen Orchestergraben, Stadtteilkultur und Schwimmbad führten. Im Gegenteil: In vielen Orten sieht sich eine mittlerweile auch bereits jahrzehntelang aktive freie Szene um die Möglichkeit jener Absicherung gebracht, die von den älteren und größeren Häusern so selbstverständlich vorausgesetzt wird. Abstrahiert man daher die Auseinandersetzung von allzu lokalen Spezifika, gelangt man wieder zum Kern der Debatte: Welche öffentlichen Infrastrukturen wurden in der Vergangenheit wo mit welchen Begründungen gegründet, gebaut und betrieben, und welche davon sollen es in Zukunft sein? Wessen kulturelle Vorlieben stehen dabei im Vordergrund und wessen Interessen setzen sich in den damit verbundenen Verteilungsdebatten durch? Häufig dachte man, dass zur politischen Absicherung von Kunst und Kultur primär eine möglichst breite Allianz verschiedenster Kunstsparten und ihrer Exponent/innen nötig wäre, die alle gemeinsam nur »unverzichtbar« rufen müssten, um die Regierenden zu beeindrucken. Die starke Vernetzung in eine einflussreiche bürgerliche Gesellschaft und eine liquide Kulturpolitik taten ihr übriges. Heute steigt das Bewusstsein dafür, dass Vernetzung und Allianzenbildung über das Kunst- und Kulturfeld hinaus betrieben werden müssen. So räumte auch der jetzige Generalintendant der Theater Bonn laut Medienberichten ein, dass es in der Vergangenheit eine gewisse »Selbstherrlichkeit« gegeben habe, die sein Haus zur Zielscheibe gemacht hätte. Die Vorgänge um die Bonner Oper mögen in ihrem Populismus unangenehm sein, doch ähnliche Kontroversen könnten folgen, wenn sich die traditionellen Kräfte nicht um neue Allianzen bemühen. -- (1) Das Sparprogramm beinhaltete auch die Kürzung der Förderung der Theater Bonn um 3,5 Millionen Euro, diese jedoch erst ab 2020.
Mehr Texte von Martin Fritz

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
DI
Karin | 14.07.2015 10:42 | antworten
...Allianzen sind wohl unumgänglich, denn die öffetnlichen Mittel scheinen hoch begehrt. Vielleicht kann auch eine gute Produktentwicklung zu mehr 'Eigenfinanzierung' führen... allerdings ausverkauft ist eben ausverkauft - und mehr ist einfach nicht drinn.

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