Rainer Metzger,
Hilti Art Foundation
Der ideale Ort für Gegenwartskunst war in der klassischen Moderne die Industriellenvilla. Barnes in Pennsylvania oder Bührle in Zürich zeugen noch heute davon, auch wenn ihnen jetzt Musealität verschrieben ist. Das Museum wiederum war der ideale Ort für Gegenwartskunst im 19. Jahrhundert, mit der Neuen Pinakothek in München, eröffnet 1854, als Präzedenzfall. In der Gegenwart wäre der ideale Ort für Gegenwartskunst selbstverständlich der öffentliche Raum, doch leider hat der sich zersetzt und rotiert um jenes leere Zentrum, das sich so schön im Kreisverkehr verbildlicht.
Die demokratische Öffentlichkeit ist perdu, die fragmentierte Publizität ist ortlos, und so restituiert sich auf ihre Weise, was Jürgen Habermas eine „repräsentative Öffentlichkeit“ nennt, jene Selbstdarstellung im Sinn des Ancien Régimes, bei dem sich eine politisch oder ökonomisch ausgewiesene Figur vor dem Publikum postiert und die eigene Präsentation für Repräsentation hält. Der leider überhaupt nicht ideale Ort für Gegenwartskunst ist also das Sammlermuseum geworden. In überkandidelten, gern einmal mit staatlichen Geldern errichteten, spärlich alimentierten und bestenfalls der Wertsteigerung der versammelten Ware nutzbringenden Arealen türmen sich banale – Brandhorst in München – oder gleich monströs den Aberwitz von Anspruch und Qualität vorweisende Kollektionen – Weishaupt in Ulm, Schaufler in Leinfelden, von Beispielen in Österreich nicht zu reden.
Nun hat in Vaduz Hilti sein Sammlermuseum bezogen. Hilti ist einer der PR-technisch so kostbaren Fälle, wo ein Familienname unmittelbar ein Markenprodukt aufruft, eines, das Zuverlässigkeit, Durchschlagskraft, Lebensdauer signalisiert. Wer assoziierte mit solchen Qualitäten nicht das Ars Longa, Vita Brevis der Kunst. Zum schwarzen Quader des Kunstmuseums Liechtenstein hat man also einen weißen Würfel gestellt, ersonnen vom Basler Büro Morger + Dettli. Zur seltsamen Gemengelage des Ortes, der aus Schweizer Schneewittchenhäuschen und sorgsam Zurückhaltung demonstrierenden Treuhänder-Offices besteht und im Neuen Landtag einen Hauch von Timbuktu aufnimmt, passt die puritanische Geometrie ganz gut. Vor allem passt auch, dass die fünf Stockwerke des Gebäudes eine Art Rhythmus liefern, nach dem in gleichwohl peinlich voneinander separat gehaltenen Bereichen Etage eins, drei und fünf der Kollektion, die Etagen zwei und vier hingegen einem Laden mit edlen Uhren gewidmet sind.
Hilti Art Foundation und Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Barbara Bühler, Vaduz/Zürich
Im Sinn von Wertarbeit funktioniert die Sammlung der Hilti Art Foundation allemal. In den letzten zwei Jahrzehnten hat man das Wahre, Gute, Schöne beflissen zusammengetragen, Picasso, Giacometti, Beckmann, der Gotha der klassisch modernen Aristokratie. Was hier Stück für Stück gezeigt wird, ist nicht Projekt, sondern Werk. Und so wird es auch präsentiert, als Trophäensammlung, voller Stolz auf die Großwildjägerei am Markt, und jede Provenienz wird im Katalog mitgeliefert. Das erinnert an Werner Schmalenbachs Ankaufspolitik für die Staatssammlung Nordrhein-Westfalen, der jeden großen Namen lieber einmal an der Wand hatte als in Serien, Werkprozessen, Entwicklungslogiken zu denken. Aber anders als bei einem Museumsmenschen ist es das Vorrecht des Privatanlegers, sich nach seinen Idiosynkrasien zu richten, und bestünden die in den Irrtümern vergangener Jahrzehnte.
Hilti ist vor Ort vor allem auch ein Kommentar zu Batliner. Nicht nur die Provenienz der Werke sondern auch diejenige der Gelder, mit denen sie erworben wurden, betonen Seriosität. So kann man darauf vertrauen, dass so etwas wie Qualität waltet. Der Kurator der Hilti Art Foundation, Uwe Wieczorek, arbeitete vorher für den Fürsten. Er hält es für einen Fehler, dass die Sammlung Liechtenstein nach Wien gezogen ist. In Vaduz weiß man, was man hat.
www.hiltiartfoundation.li
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