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Anmerkungen zum Beginn des kurzen 20. Jahrhunderts: Ein Jahrhundert später

Die von Andrea Domesle und Frank Erhardt kuratierte Ausstellung im freiraum/Quartier 21 International setzt sich mit den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs und ihrer künstlerischen Betrachtungsweisen der Gegenwart auseinander. Referenzen und Gegenreferenzen treffen in dieser Ausstellung aufeinander, die die Situation von Krieg als konstant virulente Position aktueller Szenarien von Realpolitik verhandeln. Wie können KünstlerInnen auf diese Entwicklungen reagieren und welche Fragestellungen ergeben sich im Angesicht einer das Geschichtsbild prägenden, fortwährenden Kriegshaltung, die das Weltbild konstant verändert und politische Friedensbestrebungen unterminiert? Eindrucksvoll agiert die Doppeldiainstallation von Kader Attia, der Close-ups von Versehrten des Ersten Weltkriegs und ihrer Narben und Verstümmelungen einander gegenüberstellt. Der Titel der Ausstellung ist der Arbeit der Schweizerin Karen Geyer entnommen, die in einer Oral History Tonspur Installation etwa Tonaufnahmen von Thronfolger Erzherzog Karl und der damaligen Marschmusik mit experimenteller Musik ihres Labels Grauton verquickt. Martin Chramosta entdeckte an der Straßenecke in Sarajevo, an der das Attentat auf Franz Ferdinand und seine Frau verübt worden war, zwei Überwachungskameras, die das Szenario der Stadt, wo sich heute auch das Sarajevo Museum befindet, überblickt und dieses mittels zwei Screens in den Ausstellungsraum transferiert. Joachim Seinfeld wiederum zeigt Ausschnitte aus seiner Serie „Wenn Deutsche lustig sind – Dokufiktion“, in die er das eigene Konterfeit hinein collagiert und somit die eigene nationale Geschichte referenziert. In der Arbeit „WKI, 1917 Luftkrieg“ verwendet er ein Bild aus dieser Serie, von dem er einen Ausschnitt mit Silbergelatineemulsion direkt an die Wand anbringt und den freiraum dadurch als Dunkelkammer verwendet. Martin Krenn zeigt in der Dia-Soundinstallation „World’s End“ Alltagsszenen einer britischen Militärbasis in einem Dorf an der nordirischen Küste, das seit mehr als 100 Jahren als militärisches Sperrgebiet fungiert. Simone Bader wiederum bezieht sich auf den Türkenkrieg von 1664 bzw. auf eine Erzählung von Rainer Maria Rilke, die das Schicksal eines 18-Jährigen adeligen Gefallenen thematisiert. In einer Video-Monitorinstallation lesen zehn Menschen aus zehn Nationen in ihrer Sprache Teile des Anfangs dieser Erzählung. Die 25 in dieser Ausstellung vertretenen Positionen verhandeln unterschiedliche Narrationsstränge, die sich mit dem Ersten Weltkrieg und dessen Dimensionen auseinandersetzten und die Wirren des Krieges bzw. seine unermesslichen Auswirkungen in einer medialen Vielfalt an Zugängen sichtbar und hörbar machen und zahlreiche Fragestellungen nach dessen Bedeutung im Angesicht aktueller territorialer Positionierungen und der mit ihnen verbundenen Machtkämpfe aufgreifen.
Mehr Texte von Walter Seidl

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Anmerkungen zum Beginn des kurzen 20. Jahrhunderts
03.06 - 16.08.2015

MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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