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Disputed Landscape: Uncovering History: Erzähl mir was

Uncovering History als zweiter Teil des Ausstellungsprojekts Disputed Landscape, das in Kooperation zwischen der Camera Austria und dem Kunsthaus Graz realisiert wird, beschäftigt sich mit den (un)sichtbaren Spuren, die Ereignisse an Schauplätzen hinterlassen. Die gezeigten Arbeiten werfen Fragen auf – selbst zum Schweigen gezwungen, bedarf es einer Aufklärung, um zu erfahren, an welche Geschichte(n) Tatiana Lecomtes Arbeit Die El Alamein-Stellung. Eine Montage (2012) erinnert. Die Künstlerin kombiniert Dias unterschiedlicher Herkunft miteinander, schafft eine fiktionale wie dokumentarische Erzählung und lenkt den Blick auf das Zwischen den Bildern. Die Aufnahmen zeigen Badegäste am Strand, Urlaubs- wie auch Kriegsschauplätze, brennende Wracks, Kampfflugzeuge und Quartiere in der Wüste. Zerstörung ist Versöhnlichem gegenübergestellt. Die Motive scheinen Flucht und Hingabe, Entblößung, Nacktheit, Verletzlichkeit, Freiheit, Leben und Tod zum Thema zu haben. Das Foto als Dokument scheint aus der Zeit gefallen. Personen mit Fernrohren fokussieren den Weit-, Ein- und Ausblick – die Betrachtung selbst wird zur Metapher. Körperhaltungen und Gesten beziehen Stellung und bekommen durch die Montage neue Bedeutungen. Anders ein paar Schritte weiter – hier dokumentiert Jo Ractliffe in der Serie As Terras do Fim do Mundo (2010) ihre zwischen 2007 und 2010 mehrmals unternommene Reisen in den Süden Angolas auf den Spuren des namibischen Befreiungskrieges, auf der Suche nach Orten und Geschichten und deren Zusammenhang. Wracks, Ruinen und halbverfallene Bunker führen zu der Frage, ob uns das Sichtbare überhaupt jemals Auskunft darüber gibt, was geschieht bzw. geschehen ist. Auch ob Ahlam Shibli in The Valley (2007) eine Geschichte oder mehrere erzählt, bleibt vorerst unbeantwortet. Zu sehen ist ein Weg, der, umgeben von Natur, den Blick auf einen Bunker freigibt. Wird gleich etwas passieren oder ist bereits etwas geschehen? Die Betrachtung allein vermag diese Frage nicht zu beantworten. Inmitten frisch gepflanzter Bäume und Strommasten sind Grenzstäbe durch leere Plastikflaschen markiert und Spuren im Boden bilden eine Straße. Die wechselnd schwarz/weiß und in Farbe fotografierten Ansichten einer Siedlung sind Zeugen eines Lebensraums, die selbst die Hitze spürbar machen. Der Blick wird auf Dächer und Häuserfassaden gelenkt. Rostige Fahrzeuge, Schotter, Satelliten, Klimaanlagen, Plastikstühle, Wäscheleinen und vereinzelt Personen sind dokumentiert. Doch wie sich einst die Dorfbewohner von Arab al-Sbaih in den Höhlen in Sicherheit brachten, so scheinen sich die Geschichten um diesen Kriegsschauplatz noch immer dort zu befinden. Im Anschluss an diese Serie nimmt das Bedürfnis um Aufklärung bei der Betrachtung der chaotischen Verästelungen eines Waldes als Teil der nächsten Serie weiter zu. Der Ausstellungstext verrät, dass die Künstlerin Efrat Shvili in 100 Years (2007) etwas anderes zeigen möchte als das, was zu erkennen ist. Das Dickicht des Waldes verhindert nicht nur etwas zu sehen, das dahinter liegen oder sich mitten in diesem Dickicht befinden könnte, es blendet sich auch vor die Geschichte dieses Waldes, der vor über hundert Jahren vom Jewish National Fund auf ehemals palästinensischen Gebiet gepflanzt wurde. Somit demonstriert der Wald ein Einschreiben in das Land und gleichzeitig das Überschreiben einer Geschichte. Die Bilder suggerieren eine Natürlichkeit, die im Gegensatz zur Künstlichkeit und zur politischen „Natur“ dieses Waldes steht. Auch Anthony Haugheys Serie Disputed Territory (seit 2006), entstanden unter anderem an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland, zeigt zum Teil Umgebungen mit kaum identifizierbaren Spuren und unklarer Nutzung, die lange Zeit von den Konfliktparteien auch völlig unterschiedlich wahrgenommen und definiert wurden. Viele Markierungen, Gegenstände und Interventionen bleiben unverständlich und erfordern eine genaue und komplexe Leseweise. Haugheys Kunstpraxis behandelt die Verschränkung zwischen Kunst und Gemeinschaft, in Abhängigkeit von Orten, und den dabei notwendigen dialogischen Austausch. Die Grenzen zwischen Subjekt und Betrachter werden dabei oftmals verwischt. Den Inhalt seiner Arbeiten bilden zumeist ökonomische, soziale oder politische Brüche im heutigen Europa, wobei er sich mit historischen wie aktuellen Konflikten beschäftigt, die veränderte Territorien und Grenzziehungen sowie identitäre Spannungen zur Folge haben. „Landschaft“ als das der Schau zugrunde liegende Thema ist keineswegs äquivalent mit dem Begriff Natur zu sehen, vielmehr wird der Natur eine Landschaft eingeschrieben – diese ist kulturell determiniert und eine bloße Idee. Die Natur, das Dasein der Dinge, gilt als Unbedingtes und System aller Bedingungen – als Referenzsystem. Wird nun einem Ort zum Wesen verholfen, wird differenziert und abgegrenzt und die Landschaft selbst symbolisch. Historische Formationen – Transformationen – vollziehen Bedeutungsverschiebungen, die die Sichtbarkeit einschränken. Geschichten, selbst konstruiert und wieder dekonstruiert, überlagern einander und lassen sich nur schwer rekonstruieren bzw. lesen. Es bedarf einer Dechiffrierung der Bildsprache. Doch hinterlassen Ereignisse oftmals kaum Spuren im Sichtbaren und es kann von einer grundsätzlichen und unhintergehbaren Undarstellbarkeit ausgegangen werden. Gewiss ist jede Fotografie ein Dokument. Das Dokumentarische und gleichzeitig Konstitutive jeder Fotografie liegt darin, dass sie auf etwas verweist, das gewesen ist. Das Dokumentarische wie das Fotografische existiert ausschließlich im Verhältnis zur Wirklichkeit. Die Beziehungen zu dieser sind aber unterschiedliche, sodass immer Unklarheit entsteht, weshalb auch die gezeigten Bilder streitbare Bilder einer vermeintlichen Wirklichkeit sind, bei deren Betrachtung es allein bei dem Versuch bleibt, das Bedeutungsundurchlässige derselben zu überwinden und bei dem Bemühen eines unsicheren Wiedererkennens dessen, was man sieht.
Disputed Landscape: Uncovering History
16.05 - 05.07.2015

Camera Austria
8020 Graz, Kunsthaus Graz, Lendkai 1
Tel: +43(0) 316/ 81 555 00, Fax: +43(0) 316/ 81 555 09
Email: office@camera-austria.at
http://www.camera-austria.at
Öffnungszeiten: Di-Sa 10-17 h


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