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Die Länderpavillons auf der 56. Biennale di Venezia: Mit dem Finger auf der Landkarte der Kunst

And the winner is – ein Pavillon, den wohl während der Preview-Tage nicht allzu viele Besucher gesehen haben dürften: der armenische. Dieser befindet sich auf einer kleinen Insel in der Lagune, San Lazzaro degli Armeni, Sitz des Mutterhauses des Mechitaristenordens. Das armenische Kloster mit seiner bedeutenden Handschriftensammlung, in dem als vielleicht berühmtester Gast einst Lord Byron Armenisch lernte, ist wohl weltweit einer der besten Orte für eine Ausstellung von Künstlern der armenischen Diaspora, ganz besonders vor dem Hintergrund des Gedenkens an den Völkermord vor hundert Jahren im Osmanischen Reich. Doch der durchschnittliche Preview-Besucher musste mit seiner Zeit haushalten und das Boot Nr. 20 fährt leider nur einmal pro Stunde. Durch die Auszeichnung mit dem Goldenden Löwen - in der Jury saßen u. a. Sabine Breitwieser, Direktorin des MdM Salzburg, und Mario Codognato, der Chefkurator des 21er Hauses - wird diesen Weg nun wohl mehr Kunstpublikum fix einplanen. Etwas zu versäumen gehört zum biennal wiederkehrenden Erlebnis des kunstaffinen Venedig-Besuchers. Dieses Mal wäre es aber bedeutend schlimmer, die glänzend kuratierte Schau von Okwui Enwezor zu verpassen, besonders den Teil im Hauptpavillon in den Giardini, als das Gros der Länderpavillons. Selbst auf dem ureigensten Biennale-Gelände der Giardini gibt es kaum Gänsehauttaugliches. Erstaunlich viele Nationenvertretungen spiegeln das von Enwezor ausgerufene Motto des Jahres „All the World's Futures“ mit seinen drei "Filtern" - "Capital: A Live Reading" (das von Karl Marx), "Garden of Disorder" und "Liveness: On Epic Duration" - wider. So häufig angetroffene Themen wie Überwachung, die Finanzkrise oder die fragile Ökologie unseres Planeten heben sich dabei aber in ihrer offensiven Zurschaustellung von political correctness schon wieder irgendwie auf. Vieles ist einfach solide und gut abgesichert, wie der nichtsdestoweniger schöne und stilsichere österreichische Beitrag von Heimo Zobernig (siehe den Text von Johanna Hofleitner). Sehr fein ist auch der Beitrag des Taiwanesen Vincent J. F. Huang im Pavillon des Pazifikstaats Tuvalu im Arsenale: Dort muss man den gefluteten Boden auf einem Steg überqueren und kriegt dabei unweigerlich nasse Füße - ein eingängiger Hinweis auf die globale Erwärmung, die auch die Insel Tuvalu bedroht, ebenso wie Venedig. Nicolaus Schafhausen kuratierte den Pavillon des Kosovo mit Werken von Flaka Haliti - sie ist dem Wiener Publikum durch eine Schau des mumok 2014 bekannt. Immer noch wird teilweise Kunst als Spektakel verstanden wie etwa im japanischen Pavillon, den Chiharu Shiota mit einem Gespinst aus rotem Garn und unzähligen daran aufgehängten Schlüsseln zu einem intensiven farb-räumlichen Erlebnis gestaltete – quasi die Antithese zu Zobernigs minimalistischem, schwarzweißem Eingriff in die hehren Räume der Kunstrepräsentanz der Alpenrepublik. Provokation ist sparsam verteilt. Immerhin wandelte Christoph Büchel, der Schweizer Künstler, der 2010 einen Swingerklub in der Wiener Secession einrichtete, als isländischen Beitrag eine aufgelassene Kirche zur Moschee um – das aber "in collaboration with the Muslim community of Iceland and Muslim community of Venice, Italy". Im spanischen Pavillon fesselt altes Filmmaterial mit Salvador Dalí. Die dazu in Beziehung gesetzte Gegenwartskunst wirkt im Vergleich daneben ein wenig bemüht und anstrengend. Man hätte sich halt einfach allgemein mehr Experiment, mehr überraschende Wendungen der Idiome der Kunst gewünscht. Vieles, das in einer Galerie gut ausgesehen haben mag, kommt im Rahmen der ältesten und immer noch bedeutendsten Biennale eben doch oft nicht so gut.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Die Länderpavillons auf der 56. Biennale di Venezia
08.05 - 22.11.2015

Österreichischer Pavillon - La Biennale di Venezia
30122 Venezia, Giardini della Biennale
https://www.biennalekneblscheirl.at
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h, Fr, Sa bis 20 h,
Montag geschlossen außer 25/07, 15/08, 5/09, 19/09, 31/10, 21/11


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