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Rosenwasser mit Vogelscheuchen

Sharjah, eines der ersten Emirate, das die Öffnung im Sinne einer westlichen Orientierung anstrebte, zeigt nun - nach der Premiere im Jahr 1993 - zum 12. Mal die Sharjah Biennale, ermöglicht durch die Sharjah Art Foundation. Von 5. März bis 5. Juni werden Werke von 51 Künstlern aus 25 Ländern gezeigt. Zwei Drittel der Arbeiten wurden eigens für diese Biennale neu geschaffen. Neben den ausgestellten Kunstwerken werden auch lectures und workshops angeboten. Die Auswahl erfolgte durch die diesjährige Kuratorin, Eungie Joo.

Austragungsorte der Präsentationen sind – teils an Venedig erinnernde – Einzelgebäude, Stätten in der Hauptstadt und quer übers Emirat verteilt in Kalba und am Golf von Oman.

Der wohl gewählte Titel, der auf die Vergangenheit, die Gegenwart und das Mögliche anspielt, reflektiert die Situation der Emirate. 125.000 Jahre Kulturgeschichte, die Tradition der Fischerei, die Perlentaucherei, das Leben nahe dem Meer und in den Oasen und der Umgang mit dem neuen Reichtum, ermöglicht durch die Ölvorkommen. Die Fragestellung lautet - was wird daraus nachhaltig gemacht? Wie findet die Kommunikation mit dem Rest der Welt statt und wie werden Werte tranportiert.

Wir begegnen Vogelscheuchen, die sich im Innenhof eines riadartigen Gebäudes versammeln wie Gäste einer Cocktailparty. Ihre Kleidung und Attribute sind Collagen aus Fundstücken. Männer wie Frauen werden von Abdullah al Saadi zur eigenständigen Gesellschaft, die abschreckt, verscheucht, aber auch einlädt (die Tür in den Garten ist nicht verschlossen), Teil dieser Vogelscheuchenversammlung zu werden.

Das Thema des Jägers und des Gejagten wird bei Beom Kim aufgegriffen. Der Südkoreaner läßt in surrealer Manier die Kuh den Löwen erlegen, den Grashüpfer durch die Wüste springen und die Pistole aus dem Pferdekopf schießen. Wunschdenken? Verkehrte Welt oder einfach nur ein bißchen Surrealismus, wie wir ihn kennen und schätzen?

Auch das Ölvorkommen hält in das Kunstschaffen Einzug. Der Libanese Rayyane Tabet zeigt mit seinen Steel Rings (2013) – eine quer über die Korridore im Sharjah Museum laufende Installation – die Macht der bereits 1946 gegründeten Trans Arabian Pipe Line Company auf, deren Rohre über die Länge von 1.213 Kilometer von Saudi Arabien (durch Jordanien und Syrian) in den Libanon verliefen. 1983 wurde das Unternehmen liquidiert, da sich die politische Situation zunehmend zuspitzte. Seitdem verteilen sich die Überreste verloren in der Landschaft - ein Zeichen der explosiven politschen Lage aber auch ein Mahnmal der völkerverbindenden Macht.

Aufkochen im Namen der Kunst ist einer der Wiedererkennungswerte des 1961 in Buenos Aires geborenen Rirkit Tiravanija. Transaktionale Ästhetik wird es auch genannt. In Sharjah wird ein Gebäudekomplex zum "Eau de Rose of Damascus". Die 2015 produzierte Installation bezieht sich auf Vorlagen einer Rosenwasserdestillerie in Al-Mizzi aus dem 14. Jahrhundert. Im Innenhof wurde ein Rosengarten gepflanzt, der auch eine moderne Küche beherbergt. Gekocht wird an ausgewählten Abenden. In einem eigens eingerichteten Lounge-Areal kann man in die arabischen Poesie eintauchen, die sich dem Thema der Rose widmet das auch die Wände der Räume kalligrafisch schmückt. Die Tradition wird gelebt.

Und weil wir doch alle nach Glückseligkeit und friedlichem Zusammenleben streben, wurde im historischen Gebäudekomplex auch die größte Dame der Freiheit, die Miss Liberty, vom vietnamesischen Künstler Danh Vo im Maßstab 1:1 als Torso nachgebaut. "Come to where the flavors are" wurde in Shanghai nach Originaltechnik reproduziert. Die 250 Einzelteile wurden gemeinsam mit den Verpackungskartons von Marlboro Zigarettin und Lipton Tee als konzeptionelles Spiel zwischen den Sortierungen von Tabak, Tee und Moschus konzipiert.

A blend of art bei einer beeindruckenden Biennale, die den Blick auf Traditionelles wirft, eine Symbiose mit der Gegenwart bildet und Sehenswertes möglich macht. Sharjah - eine Biennale mit Besuchswert.

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Sharjah Biennial 12: The past, the present, the possible
5 March - 5 June, 2015
www.sharjahart.org

Mehr Texte von Iris Stöckl

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