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ARCO 2015: Schönheit allein reicht nicht

Schönheit allein reicht nicht. Dieser bitteren Wahrheit muss sich die Arco stellen, aber nicht nur sie. Selten war eine Messe dieser Größe derart geprägt von konzentrierten, präzisen Päsentationen, die einzelne Künstler in den Mittelpunkt stellen wie die aktuelle Ausgabe der Madrider Traditionsmesse. 218 Galerien zeigen in diesen Tagen, wie eine Messe aussehen kann, wenn die Galeristen den Umsatz nicht ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen. Vielleicht tun sie auch genau das, haben aber eingesehen, dass der Gemischtwarenladen à la Miami in Spanien nicht unbedingt funktioniert. Denn die Trophäenjäger, die mit den Ohren Wandschmuck für ihr Dritt- oder Viertdomizil in London oder Paris kaufen, steuern die Arco in den seltensten Fällen an. Stattdessen lädt die Messe in großem Umfang Kuratoren und Sammler ein, von denen die viele mehr an Inhalten interessiert sind. Die Abteilung Solo Projects (für Künstler aus Lateinamerika) und Opening (Galerie höchstens sieben Jahre alt, maximal zwei Teilnahmen und zwei Positionen) sind ohnehin zur Beschränkung verpflichtet. Die Galerien mit jungem Programm haben es trotzdem nicht leicht. Wenn sie nicht gerade einheimische oder lateinamerikanische Künstler im Programm haben, hält sich zumindest vor dem Wochenende nicht nur der Umsatz, sondern überhaupt das Interesse oft in sehr engen Grenzen. Mit bekannten Namen, sei es der der Galerie oder des Künstlers, scheint es einfacher zu sein. Die Berliner Galerie Crone lässt den Stand allein von Monika Grzymala bespielen. Die größte Arbeit besteht aus speziell angefertigtem Klebeband, das sich wie ein wucherndes Netz über die Wände ausbreitet (7.000 EUR/km). Die großformatigen Papierarbeiten hingegen bestehen aus selbstgefertigtem Bütten, das über eine Matrix gelegt wird und so reliefierte Strukturen erhaben abbildet. Bei Preisen bis zu 30.000 Euro waren schon am zweiten Tag drei Unikate verkauft - an Neukunden. Zu dem Zeitpunkt wartete Anita Beckers aus Frankfurt noch auf Käufer, die 140.000 Euro für Analivia Cordeiros "M 3x3" investieren. Es handelt sich dabei um eine mit Fernsehkameras aufgezeichnete und anschließend elektronisch verfremdete Tanzperformance innerhalb eines 3x3-Rasters nach einer von der Künstlerin entwickelten Notation - aus dem Jahr 1973! Das Werk dürfte damit die erste brasilianische Videokunst sein, die erste Computerkunst sowieso. Der Käufer erhält nicht nur das Video, sondern auch Skizzen, Notationen und Ausdrucke. Die Berliner Galerie Kuckei + Kuckei hat nach eigenen Angaben schon im letzten Jahr beschlossen, auf Messen nur noch mit Einzelpräsentationen anzutreten, weil sich die Praxis eines Künstlers auf die Art viel besser vermitteln ließe. Den Verkäufen habe das bisher nicht geschadet. Auf der Arco zeigen sie zwei mehrteilige Fotoarbeiten von Barbara Probst. Ein breites Angebot bedeutet nicht unbedingt weniger Risiko. Zwar ist Thomas Krinzinger aus Wien wie meistens hier zufrieden mit dem Messestart. Georg Kargl (ebenfalls Wien) hingegen setzt nach vielen Jahren der Treue ebenso aus wie Ernst Hilger (Wien). Eine angenehme Überraschung stellt das Gastland Kolumbien dar. Das allermeiste des Gezeigten präsentiert sich formal und konzeptionell auf Augenhöhe mit der westlichen Kunstszene, vermag jedoch inhaltlich Akzente setzen. So beschäftigt sich Ivan Hurtado in seinem Projekt "Como Construir una Ciudad Abandonada" mit den Zerstörungen, die Drogen- und Guerillakrieg hinterlassen haben und mit der Frage, wie damit sinnvoll umzugehen ist. Die dokumentarischen Aquarelle kosten bei der Galeria de la Oficina aus Medellin zwischen 1.200 und 7.000 Euro. Intelligente Konzeptkunst ist ebenso zu finden, so bei derselben Galerie von Pablo Gomez, der sich mit dem Bewahren des arhitektonischen Erbes beschäftigt. Zu diesem Zweck hat er eine Abrissfirma gegründet, die er aktiv bewirbt. Die Kundenanfragen werden von ihm dokumentiert. Die wandfüllende Installation "The Decision Room" besteht aus unbrauchbaren Abrissinstrumenten aus Modellbau-Holz (50.000 Euro). Wer das Haifischbecken Kunstmarkt kennt, wird etwas überrascht sein davon, dass nicht nur kolumbianische Galerien sowie das Kulturministerium auf der ARCO präsent sind, sondern über die Ausstellungs- und Veranstaltungreihe ARCO Colombia auch die Kunstmesse ArtBo (Bogota). Arco-Direktor Carlos Urroz ist da jedoch ganz pragmatisch: "Es ist logisch, dass europäische Galerien nach Bogota wollen und umgekehrt. Es ist einfach unrealistisch zu glauben, man könnte in der heutigen Kunstwelt noch ein Monopol behaupten." Man wünscht sich solche Toleranz zum Beispiel für Basel.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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ARCO 2015
25.02 - 01.03.2015

ARCO
28042 Madrid, Parque de Juan Carlos 1
http://www.arco.ifema.es


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