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Artists and Poets: Nach Gefühl schematisiert

Es kann schon interessant sein, übliche, nur allzu eingeschliffene Muster intellektualisierter Kunst-Wahrnehmung durcheinander zu wirbeln. Oder: Es könnte. Als Künstler-Kurator setzt Ugo Rondinone unterschiedliche Werkgruppen intuitiv in Beziehung. Das führt zwar zu teils erfrischenden Gegenüberstellungen, flacht allerdings ab, wo das Schematische seines Konzepts überhand nimmt. Rondinone bezieht den Begriff des Poetischen in erster Linie auf den schöpferischen Akt und seine persönliche Herangehensweise als Kurator. Obwohl er oft bedeutungsschwangere Zitate von Beckett oder Hans Henny Jahnn in seine Ausstellungs- oder Werktitel einbaut, meint er trotzdem nicht sprachliche Poesie, die zumeist strengen Regeln folgt. Vielmehr möchte er freie Resonanzverhältnisse zwischen unterschiedlichen Werken herstellen. Kunst solle man fühlen, zulassen, wie sie Geschichten erzeuge. Fallweise überraschende Kombinationen So überrascht die Kombination von Rockenschaubs Neo-Geo der 1980er Jahre mit Fritz Panzers feinen Drahtskulpturen. Auf einmal wird das Handwerkliche eines Werks evident, das in den 1980ern im Kontext von New-Wave, Techno und Life Style als artifiziell rezipiert worden ist. Oder sollte man eher linguistisch vorgehen und Zeichensysteme vergleichen? Jedenfalls entstehen irritierende Nahverhältnisse, ohne das Unvereinbare aufzulösen. Man kommt auch ins Schmunzeln, wenn man auf die Hocker-artigen Po-Abguss-Skulpturen der Rumänin Andra Ursutas in Kombination mit der bunten Malerei des Amerikaners Michael Williams stößt. Die von Film und Comic beeinflussten und gesampelten Fantasiewelten auf der Leinwand scheinen sich fortzusetzen in den Schwammerln, Augen oder Ärschen, die da verstreut herumstehen. Gibt es da Verbindungen zwischen Rondinones künstlerischem Œuvre und seiner Tätigkeit als Kurator? Da wie dort spielt die Re-Kombination von Bedeutungen eine Rolle. Als könnte man Gewesenes neu erfinden, zitiert Rondinone aus der frühen Moderne, entwirft Schriftzüge wie aus der Beat-Kultur der 70s oder frischt Motive von George Segal oder Robert Gober frech auf. Seine Skulpturen erscheinen genauso poppig wie archaisch, wenn sie schrill rosa in Penisform daherkommen oder als verzerrte Smileys aus Stein. Rondnones Genialität liegt in der berechneten Überschreitung. Das kann auch rückwärtsgewandt sein. Seine »Human Nature« Skulpturengruppe vor dem New Yorker Rockefeller Center besteht aus monumentalen menschlichen Archetypen aus grobem Fels. Deren kommunikativen Kraft im öffentlichen Raum lässt etwaige inhaltliche Tiefen in den Hintergrund treten. Was Rondinone anstrebt ist nicht unbedingt Diskurs, sondern ein »Theater der Gefühle«. Als Künstler wie als Kurator. Im Hauptraum der Wiener Secession sind die minimalistischen Bildwerke des Bob Law mit Themen der Bildfläche wie »Rand« oder »Rahmen« kombiniert mit den schweren Skulpturen des jungen New Yorkers Justin Matherly. Letztere wirken auseinanderberstend und sind noch dazu aufgestützt auf krückenartige Gestelle. Unübersehbar, dass hier ebenfalls Grundsatzfragen künstlerischer Produktion aufgeworfen werden. Faszinierend wie zwei derart starke Positionen einander in Schwingung versetzen. Das bereitet Lust, sich damit zu beschäftigen. Aber würde eine Kuratorin eines Museums nicht ähnlich vorgehen? Künstler-Kurator Ugo Rondinone, setzt dagegen, er wolle gar keine Verbindungen durch Interpretation herstellen. Aber warum hat er dann durchwegs Paarbeziehungen geschaffen, warum sieben Bereiche, warum jedes Mal Werke an der Wand mit Skulpturen und Objekten kombiniert? Warum hat er Heimo Zobernig einbezogen, dessen Sockel-Skulpturen, doch eher auf einem analytischen Zugang basieren? Hier geht es doch konzeptuell zu. Illustrativ und schematisch An einer anderer Stelle hingegen wäre es besser gewesen, wenn Kurator Rondinone nicht »nach Gefühl« vorgegangen wäre. Die farbigen Keramikobjekte Andrew Lords im Bereich von Klimts Beethovenfries: Das wirkt schier unterkomplex. Es sind dies dreidimensionale Übersetzungen von Gefa?ßen und Objekten, die auf Gema?lden Paul Gauguins sichtbar sind. Brückenschlag von Moderne zu Moderne. Klar! Lords filigranen Kleinskulpturen aber kommt nicht mehr zu als bloß illustrativer Charakter. Ebenfalls oberflächlich das Beziehungsgefüge im Bereich, wo mit den Werken des 1985 verstorbenen österreichischen Bildhauers Fritz Hartlauer bekannt gemacht wird, der in seiner kosmologischen Anschauung vom menschlichen Kopf als eine Urform ausging. Dazu die expressiven Großformate der aus Georgien stammenden Künstlerin Tamuna Sirbiladze – übrigens der Witwe von Franz West – zu hängen, ist mehr beliebig, denn logisch. Schön, dass Sirbiladzes Werke Raum erhalten. Sie laden die Batterien der Augen positiv auf. Allerdings auch ohne Hartlauer. Man merkt bald: Weil Rondinones Vorgangsweise als Künstler wie als Kurator seriell ist, variiert er eine einzige Idee unzählige Male. Verwerflich ist das keineswegs. Viele KünstlerInnen arbeiten so, und Musikstücke leben davon. Problematisch wird dies innerhalb einer Ausstellung aber, wenn dies in die notorische Wiederholung kippt. Wenn schon Intuition, dann wäre doch auch Inspiration ausschlaggebend; und zwar durchgängig. In diesem dritten Kapitel einer Reihe, ähnlich konzipierter Projekte, die Ugo Rondinone im Pariser Palais de Tokyo 2007 begann und dann 2011 in der Gladstone Gallery, New York fortsetzte, realisierte der Schweizer Künstler eine nach dem stets gleichen System räumlich endlos erweiterbare Ausstellung, der letztlich der konturierte konzeptuelle Kern abgeht. Aber vielleicht sollte man sich auf Rondinones Kombinatorik gar nicht so sehr kaprizieren und das ganze Theoretische wirklich abwerfen; vor allem den Fragenballast. Was dann zurückbleibt ist eine durchaus interessante Kunsthallenausstellung oder besser: der temporäre Zubau eines fiktiven Museums Moderner Kunst. Stellenweise durchaus spannend, wozu aber die Gefühlsideologie?
Mehr Texte von Roland Schöny

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Artists and Poets
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