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IDOL Prähistorische und zeitgenössische Frauenbilder: Doris Day, Tongöttinnen und die Leerstelle dazwischen

Vor dem Treppenaufgang zur linken Hälfte des Obergeschosses im Künstlerhaus Wien sitzt ein abschreckender Türhüter. Der Untertitel „Prähistorische und zeitgenössische Frauenbilder“ klingt wie maßgeschneidert für eine Arbeit zur Erlangung eines akademischen Grades. Stattdessen ist er schaler Wegweiser für die mit der Gemeinschaft der Künstlerinnen und KunstförderInnen München koproduzierte Ausstellung „IDOL“, der zumindest an manche der gezeigten Werke nicht heranreicht. Ist die Schwelle überwunden, trifft man auf ein kleines Ensemble fruchtbarer Verführerinnen und mütterlicher Göttinnen, geformt aus dem Ton der Frühzeit. Auf der zeitgenössischen Ebene hat die Münchner Kuratorin und Galeristin Katia Rid 18 Künstlerinnen-Positionen versammelt, die Perspektiven weiblicher Identität installativ, malerisch, performativ oder filmisch verhandeln und neu entwerfen. Als Inspirationsquelle und Ausgangspunkt der Schau werden zwei unabhängige Ausstellungskataloge genannt, jeweils mit dem Titel „Idole“: der eine herausgegeben von der Archäologischen Staatssammlung München zu frühen skulpturalen Götterbildern und Opfergaben; der andere begleitete die gleichnamige Fotoausstellung des Historischen Museums in Speyer zu medial inszenierten Bildern Symbol gewordener Berühmtheiten. Anstatt das Feld thematisch abzugrenzen, erzeugen diese im Künstlerhaus ausgelegten Kataloge gleich zu Beginn ein schleichendes Gefühl der einfallslosen Zufälligkeit, das sich im Ausstellungsparcours fortsetzt. Zwischen den zwei erkorenen Zeit-Sphären klafft eine Leerstelle von 3500 Jahren – durch die Absenz jeglichen Dialogs kann dieser eben auch nicht nachvollzogen werden. Dessen ungeachtet bieten einige der Beiträge durchaus gewitzte Unterhaltung. Etwa jene der deutschen Künstlerin Birthe Blauth, die sich kritisch mit dem kollektiven Streben nach einem mediatisierten Ideal auseinandersetzen. Ihre digitale Malerei „St. Eve“ transformiert individuelle Frauenporträts zu einer glatten, blonden Computerdame und die Soundinstallation „Die Sirenen“ ist eine Komposition im Vier-Kanal-Ton mit Körper- und Charakterzügen aus Partneranzeigen in deutschen Zeitungen. Eine Stärke der Schau liegt in den Videoarbeiten: Ina Loitzl stellt die im Künstlerinnen-Körper vereinten multiplen Personen und Rollen selbstironisch zur Schau. Die 4 Grazien umtanzen auf einem Hausdach als Girlgroup(ies) einen stierköpfigen Zeus und die Londonerin Miriam Elia inszeniert sich halb-amüsant, halb-depressiv als fettleibige Raupe, die ihre Schmetterlingszukunft verweigert. Augusta Laars kurzweiliges Mail Art Projekt „Madonna sagt...“ ist ein schillernder Schrein bearbeiteter Postkarten, Devotionalien und Collagen mit Madonna-Motiven – als Work in Progress konzipiert ist jede/jeder dazu eingeladen, sich von der deutschen Künstlerin eine Postkarte schicken zu lassen und auf diese mittels ihrer Umgestaltung zu antworten. Laars „Große Puppenklinik“ im nächsten Raum hingegen bedient die faden Klischees einer Ausstellung über weibliche Rollenbilder. Besser wäre es, wenn der Haufen hautfarbener Plastikpuppenteile einfach nicht da wäre. In plakativer Assoziation dürfen auch Hollywoods Grandes Dames in solch einer Schau nicht fehlen: Während Susanne Thiemann in ihrer Collage Marilyn Monroe mit einem relativ banalen Rock aus den Antlitzen berühmter, popkultureller Damen bekleidet, ist die Textil-Installation „Sweet Lady of Darkness“ von Sabine Groschup wesentlich imposanter. Die schwebende, pinkfarbene Kutte wird zum lebendigen Tod mit einem pulsierenden Monitorherz aus Barbara Streisand und Doris Day. Stephanie Guses trashige Fotocollagen „WILLHABEN“ aus zerschnippelten Verpackungsmaterialien in Form von Klimts „Goldener Adele“ und „Emilie Flöge“ sind Konsum-Substitute – Ersatzbefriedigungen für die Unmöglichkeit, die berühmten Portraits zu besitzen, geschweige denn sich ihrer zu bemächtigen. Ebenso wie „La belle Irene“ von Christiane Spatt, sechs tätowierte Lederstücke in einer Vitrine vor dem Foto des mit den gleichen bunten Klebetattoos übersäten Rückens der Innsbruckerin, ironisch-witzig – aber leider nur im Vorbeigehen. Die Wirkung der formalästhetisch strengen Häkel-Skulptur „Black Widow“ von Claudia Luenig kann sich neben den allzu farbigen und dicht gesäten Werken nicht mehr so recht entfalten. Am Ende tut sie einem dann fast leid, die Ausstellung, man wünscht ihr mehr Platz, ein paar männliche Künstlerpositionen und vor allem einen anderen Titel.
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IDOL Prähistorische und zeitgenössische Frauenbilder
24.10.2014 - 06.01.2015

Künstlerhaus Wien
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: +43 1 587 96 63
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi + Fr 10-22 h


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