Werbung
,

Kunst ahoi! Highlights, Newcomer und Mitschwimmer

Vom 3. Bis 5. Oktober lichtete die MS Stadt Wien, mit einer Fracht von 75 KünstlerInnen an Bord, die Anker zur Donau-Passage Tulln - Wien - Bratislava - Wien - Tulln. Die KünstlerInnen Jasmin Hagendorferr und Marcel Dalichau formierten mit dem Musiker Georgij Melnikov die Gruppe Art Un Anchored und luden zur Kunstausflug auf dem 75 Jahre alten Raddampfer. So konnten sich die Passagiere für zwei Tage konzentriert dem Kunstgenuss unter Quarantäne hingeben; außer man ließ sich an Deck durch Wind, Wasser und Uferanblick ablenken oder schaute Roland Adlassnigg zu, wie er die vorbeiziehende Uferlandschaft auf einer schmalen fortlaufenden Papier-Rolle mitzeichnete. Der beschwingte Schiffsausflug bot Bilder in den Gängen und am Oberdeck, Bands, Lesungen, preisgekrönte Filme im Kino im Heck unterdeck und Installationen und Performances in den Kajüten. Er diente auch dem städteverbindenden Kunst-Austausch mit der Nachbarstadt,- deren (fast) stilgerecht herausgeputzte Innenstadt, sich für das touristisch-kulinarische Bummeln, weit besser eignet als Wien. Das ebenfalls zeitgleich in beiden Städten stattfindende Musikfestival Waves bot vorort Spätabendunterhaltung. Allerdings wäre eine etwas intensiverere Vernetzung mit dem in Bratisava stattfindenden künstlerischen Abendprogrammm wünschenswert gewesen. Bei den teilnehmenden KünstlerInnen mischten sich bekannte Namen aus der jungen Kunst-Szene mit Newcomern: Eines der mitgereisten High-lights war ein weisser Esel, des aus Ramallah stammenden Bild-hauers Osama Zatar, der gerade sein Diplom an der Akademie der bildenden Künste Wien absolviert hat. Wie in den meisten seiner Arbeiten, gelingt ihm auch mit dem Esel, der die ersehnten Karotten, als Ballast trägt und nur in den Rückspiegelscheuklappen sieht, eine global-politische Anspielung auf die dumpfe Duldung des an der Nase herumgeführten Bürgers. Milan Mladenovic schickte eine Szene seiner Performance 8 ∞ aus dem Kunstraum Niederoesterreich, mit auf die Reise: der Künstlerkollege und Landschaftsdesigner Markus Jagersberger stelzte auf mit 40cm langen Schrauben gespickten Schuhsohlen womit er bis dicht unter die Schiffsdecke reichte, und an die digital verfremdeten Video-Arbeiten des Künstlers erinnerte. Mario Grubisic war mit einem Architektur-Print und Karl Kilian mit einem suprematistischen Bild, vertreten. Vielversprechend scheinen die Malereien der jungen Anne Sophie Wass, die ein in die dritte Dimension verworfenes Bild mit Anklängen an Aborigines-Kunst und ein anderes in (etwas zu) grellen Farben, das an orphistische Abstraktion erinnerte, am Schiff präsentierte. Bella Agora verzauberte wieder einmal mit ihrer hypnotischen Stimme: In einer abgedunkelten Kajüte hielt sie die Hände, der einzelnen BesucherInnen über dem Bild einer Spiral-Galaxie mit goldenen Nägeln, in der Art der Himmelsscheibe von Nebra, während sie ihnen ein Liebeslied - der Reise jenseits von Zeit zu den Sternen - sang. Eine andere Kajüte bespielte Julian Oberhofer mit "liquid sound reflections", einer Videoinstallation mit sprudelndem Wasser. Das „süße Mädel mit kaputtem Schädel“ wie sich Stefanie Sargnagel selbst nennt, bot eine unterhaltsame Lesung aus ihrem Buch "binge living". Das Facebook-Buch,- auf das ich gewartet habe,- besteht aus pointierten, hemmungslos ehrlichen, witzigen, sozialkritischen Statusmeldungen, den Erzählungen einer wiener Bohemienne, von Call-Center-Alltags-Absurditäten bis zu Reiseabenteuern. Ideen zur ewigen Wiederkehr von Nietzsche, Pythagoras, Platon vermischt mit eigenen Reinkarnationserinnnerungen, hingegen, wurden in der Performance von Zoe de Witt mit Ahoo Maher am Cello in weissen Bikinis dargeboten. Dazwischen sorgten bis spätabends bugseitig heimische Bands von HipHop, Rap über Elektro und Psychedelic Chillout bis zu Hardcore Punk für Stimmung. Gut ausgesucht, waren auch die Filme: von Virgil Widrichs Oscar- Film Copy Shop bis zum berührenden Film The First Sea, der jungen Clara Trischler, der mit dem Max Ophüls Preis 2014 ausgezeichnet wurde: Darin begleitet sie eine Aktivistengruppe, die für palästinensische Frauen mit Kindern aus dem Westjordanland, einen Ausflug ans Mittelmeer organisieren, mit der Kamera, und lässt die Kinder ausführlich mit politischen Statements zu Wort kommen. Olivier Hölzl zeigte ein Video aus Found-footage Material vom Untergang der Titanic, auf der Fahrt von Tulln nach Wien. Danach ist es in den organisatorischen Wogen untergegangen und tauchte auf der Fahrt nach Bratislava nicht mehr auf. Ebenfalls ins Wasser gefallen, war Elisabeth von Samsonows Lecture Performance, die leider wegen Proben zu ihrem Festival auf Schloss Neubeuern verhindert war. Vielleicht lässt sich das alles nächstes Jahr nachholen, wenn die Kunst, wie geplant, wieder die Anker lichtet? Kunst ahoi!
Mehr Texte von Renate Quehenberger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: