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Ballet Concrete: Nostalgische Komplexe

„Das Gemälde muss ausschliesslich aus rein bildnerischen Elementen konstruiert werden, d. h. aus Flächen und Farben. Ein Bildelement bedeutet nichts anderes als 'sich selbst', folglich bedeutet auch das Gemälde nichts anderes als 'sich selbst',“ konstatierte Theo van Doesburg 1930 in den „Grundlagen der konkreten Malerei“. In einem trend-dominierten Heute, in dem oft noch der minimalste Strich verfolgt wird von einem wortelangen (Kon-)Text, ohne den zu lesen man das als Kunstwerk deklarierte Zeichen womöglich nicht verstehen kann, wirkt das Postulat des niederländischen Malers kurzzeitig wie eine nostalgische Erleichterung. In scheinbar exakter Würdigung der kunsthistorischen Quelle(n), entstand in der zs art Galerie unter dem Titel „ballet concrete“ eine Choreografie mit Werken der konkreten Gegenwartskunst, deren eigenwilligster Moment sich gleich zu Beginn darbietet. Auf Konfrontationskurs mit den BesucherInnen wurde Roland Goeschls markante „Farbraumskulptur“ neben die Eingangstür des – für die Werke idealen – hellen, hohen Galerieraums platziert. Passend betitelt mit „Innen-Außen“ ist die Skulptur eines der exzentrischeren Objekte des Salzburgers und damit (zum Glück mancher!) eher Einzelgänger im Schaffen des Wotruba-Schülers. Die weitere Auswahl der Werke von Roland Goeschl reicht von 1971 bis 2011 und ermöglicht ein chronologisches Nachvollziehen seiner geometrisch-konkreten Einvernahme der Farbtrias Rot-Blau-Gelb. Auffällig ist noch die „Ziegelkomposition“ aus dem Jahr 1999, die einen buchstäblichen Bruch in der Ausstellung konstituiert – man ist versucht die mit unregelmäßigen Bruchflächen versehenen Ziegelstein-Teile als Trotzreaktion eines der wohl bedeutendsten österreichischen Vertreter des Konstruktivismus zu lesen. Wesentlich zurückhaltender sind die Wandobjekte des Engländers John Carter, deren pastellig-samtene Oberflächen zum streichelnden Darüberfahren einladen und so fast eine innerhalb der konkreten Kunst disqualifizierte Sinnlichkeit ins Spiel bringen. Sigurd Rompzas Arbeiten machen diese aber gleich wieder wett – die „Farb-Licht-Modulationen“ des deutschen Künstlers wölben sich kantig aus der Wand und werfen geometrisch geformte Schatten. In ihrer nicht sofort greifbaren Dreidimensionalität spielen sie mit der Wahrnehmung der BetrachterInnen und erzeugen einen Illusionismus der optischen Art. Leo Zogmayers Arbeiten stellen in Kombination mit ihren Titeln quasi Prototypen der konkreten Kunst dar: Das in Manier der Hinterglasmalerei ausgeführte Bild „grau-schwarz“ besteht aus grauen und schwarzen Streifen; was das Werk mit dem Titel „weiss-schwarz“ zeigt, kann man sich in etwa vorstellen. Karl Hikades Gemälde, bei denen auch die Bilderrahmen zum Gesamteindruck gehören, sind quasi feinere Miniaturen seiner ansonsten im Großformat ausgeführten Bilder. Umso hervorragender sind die Arbeiten der einzigen weiblichen Position: Im Rahmen der Schau ist ein besonderes Alleinstellungsmerkmal der Gouachen der 2002 verstorbenen Helga Philipp deren Rekurs auf die Form des Kreises. Man mag daraus schließen, was man will (oder auch nicht...). Die Arbeiten des bei weitem jüngsten (aber mit 48 Jahren auch nicht mehr jungen) Künstlers der Runde könnte abschließend als Beispiel einer Aktualisierung der konkreten Kunst gelesen werden: Laszlo Ottos Streifengemälde erscheinen wie Visualisierungen algorithmisch ablaufender, informatischer Prozesse. Die selbstreflexiven Werke aus Flächen, Formen und Farben entziehen sich in ihrer formalästhetischen Perfektion gerne einer Kritik. Als „Ausschnitt konkreter Gegenwartskunst“ angekündigt, wird die Zusammenstellung in der zs art Galerie dem vielleicht allzu gerecht, was gleichzeitig auch der Schwachpunkt der Schau ist. Ein Einbezug einiger jüngerer Positionen aus dem Umfeld einer aktuellen „konkreten Kunst“ würde die Luft endgültig davor bewahren, ins Abgestandene überzugehen. Dem Begriffserfinder und Manifestschreiber Theo van Doesburg hätte die Ausstellung sicher gefallen. Und auch wenn es nicht jedermanns oder jederfraus Sache ist, stundenlang vor den komplex einfachen Werken zu verweilen, lohnt sich ein Rundgang in der Galerie.
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Ballet Concrete
05.11.2014 - 09.01.2015

zs art Galerie
1070 Wien, Westbahnstraße 27-29
Tel: +43-1-895 9395 11
Email: galerie@zsart.at
http://www.zsart.at
Öffnungszeiten: Mo-Fr 12-18, h
Sa nach Vereinbarug


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