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Biennale des Antiquaires 2014: Paris ist heiss

Immer diese Sonne im Grand Palais! Die grandiose Konstruktion aus Glas und Stahl sorgt dafür, dass es entweder zu heiß oder zu kalt ist. Zur Biennale des Antiquaires Anfang September ist es wie jedes Jahr zu heiß und zu hell. Das sind so die Luxussorgen, die Besucher und Aussteller auf der Vernissage umtreiben. Alles, was sich mit Geld regeln lässt, dürfte hier ansonsten niemandem schlaflose Nächte bereiten. Mag die Tefaf in Maastricht ruhig die Königin der Kunstmessen sein, der Stil ist hier zu Hause. Die trotz ihrer moumentalen Ausmaße lichte Standarchitektur ist besonders in dieser Ausgabe der gediegenen Gravitas der Holländer weit überlegen und spiegelt damit in gewisser Weise die Kojengestaltung der Aussteller wider. In Paris ist weniger meistens mehr. Selbst Carpenters Workshop (Paris/London), der sonst bei seinen zahlreichen Messeauftritten von Miami Beach bis Dubai mit Kitsch nicht geizt, hält sich hier vornehm zurück und arrangiert abgesehen von der zeitgenössischen Wandvertäfelung lediglich vier Objekte - zwei Tische, ein skulpturales Objekt und einen Leuchter in seiner Koje. Das ist Stärke und Schwäche zugleich: Inneneinrichtung in seiner edelsten Form bestimmt das Bild der Messe, kaum noch Alte Meister, ein bisschen Moderne, etwas Modern Contemporary und ganz viel Juwelen. der Kunstsammler alter Schule muss auch in Paris wieder den Langen Marsch durch die Galerien antreten. Die Galerie Neuse fragt sich, warum sie jetzt schon zum zweiten Mal der einzige deutsche Aussteller ist. Dabei habe sie gar nicht einmal so viele französische Kunden. "Hier kommen viele Menschen her, die man sonst nicht trifft, aus arabischen Ländern oder Fernost zum Beispiel.", erklärt Achim Neuse. In jedem Land, egal wie klein oder arm es sei, gebe es einige wohlhabende Menschen, die sich für Kunst interessierten. "Und die trifft man in Paris." In Deutschland selbst dürfte der Markt relativ begrenzt für die drei silbernen Kopfreliquare des 16. Jahrhunderts aus Hohenzollernbesitz. Sie kosten zwischen 800.000 und einer Million Euro - pro Stück. Dagegen kann Klassische Moderne richtig preiswert sein. Bei Zlowowsky aus Paris gibt es kubistische Zeichnungen von Le Corbusier und Amédée Ozenfant ab 15.000 Euro. Zwei der seltenen Skulpturen des berühmten Architekten kosten dann allerdings schon ab 335.000 Euro. Renommierstück bei Jacques de la Beraudiere aus Genf ist das marienähnliche Portrait "Lunaris" von Francis Picabia, das im letzten Jahr laut der Kunstpreisdatenbank Artprice das teuerste Los auf dem spanischen Auktionsmarkt war und jetzt 2,3 Mio. Euro kosten soll. Zu den erstaunlichen Eigenheiten des hiesigen Marktes gehört, dass im deutschsprachigen Raum einschlägig durch den Beltracchi-Skandal bekannte Kunsthändler dazugehören, als sei nie etwas gewesen. (Das gilt allerdings gleichfalls für Maastricht.) Das wäre nicht weiter schlimm, hätten die entsprechenden Personen sich je erklärt oder sonst irgendwie öffentlich Aufklärung betrieben. Aber in so profanen Dingen hat Frankreich keine Tradition, weder in der Politik noch im Kunsthandel. Hicham Aboutaam führt seit Jahrzehnten Phoenix Ancient Art (New York/Genf) in zweiter Generation. Skandale wie im Gemäldemarkt seien bei Antiken mittlerweile kaum noch denkbar. "Es hat sich sehr geändert in den letzten fünf bis zehn Jahren", erklärt er, und es bleibt ein wenig unklar, ob da Bedauern oder Genugtuung in seiner Stimme mitschwingt. Jedenfalls handhabe man die Provenienzfrage inzwischen dergestalt gelöst, dass man die Vorbesitzer soweit in die Vergangenheit benennt, wie sie bekannt sind, und nur die letzten ein zwei aus Gründen der Diskretion auslässt. Museen hätten zwar gerade die letzten Besitzer gerne gekannt, meint der Händler, aber das Geschäft mit Raubgrabungen oder Fälschungen sei dadurch eingedämmt. Und natürlich dürfte es jeden Käufer freuen zu erfahren, dass der hellenistische Dyonisos-Kopf aus Bronze mit kupfernen und silbernen Einlagen einst in der Mellon Collection war, bevor er über einen New Yorker Händler an den jetzigen Vorbesitzer ging. Wer der neue Eigentümer ist, will Aboutaam nicht einmal ansatzweise preisgeben - "Europa" ist das einzige, was er sich entlocken lässt. Allerdings kann das nach seinem Verständnis auch ein in die USA ausgewanderter Chinese mit Wohnsitz in London sein; die Klasse Weltbürger jedenfalls, die für so ein Stück 5,5 Millionen Euro ausgeben kann. Davon scheint die Biennale einige zu bewirten, denn Phoenix hat schon an den zwei Gala-Abenden rund 15 Mio. Euro umgesetzt.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Biennale des Antiquaires 2014
11 - 21.09.2014

Grand Palais
75008 Paris, Avenue Winston Churchill
https://www.biennale-paris.com/
Öffnungszeiten: täglich 11-21 h


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