Alexander Pühringer 1961 – 2014
Vor mehr als zwei Monaten ist Alexander Pühringer, Gründer, Herausgeber, Chefredakteur diverser Kunstzeitschriften, verstorben. Seine Beisetzung fand in seinem Heimatort, Stadl-Paura in Oberösterreich statt, am 30. Juli. Pühringer hat die letzten Jahre in Berlin gelebt, sein Nachbar Christoph Schmidtke ist Blogger und hat ihm sympathische Worte der Erinnerung hinterher geschrieben. Das war es dann auch. Der Kunstbetrieb, und das ist nichts anderes als beschämend, hat nicht reagiert. Fast dreißig Jahre war Alexander Pühringer dabei, und die Hartnäckigkeit, mit der er Projekte beschwor und sie zum Erstaunen aller dann bisweilen auch realisierte, machte ihn zu einem wichtigen Akteur. Er war, was man eine Figur nennt, präsent, überzeugt bis zur Heftigkeit, eine Nervensäge. Ich hatte meine Kontroversen mit ihm, eine, die hier auf artmagazine ausgetragen wurde, drehte sich gerade um seinen Starrsinn. Der Herausgeber musste diverse Postings löschen, in denen er mir allzu nah kam. Seit fast dreißig Jahren war er Teil des Betriebs. 1984 gründete er „Noema“, zusammen mit Otto Neumaier, dem Salzburger Philosophen, dem der sehr avancierte, aus der Phänomenologie stammende und in den Diskurs-Boom der Achtziger ein Moment des Innehaltens tragende Titel entsprach. 15 Jahre hielt „Noema“ durch, insgesamt 52 Hefte wurden publiziert, und sie stellten das bedeutendste dar, was Österreichs Kunstszene an ästhetischer Diskussion zustande brachte. Im Jahr 2000 machte Pühringer mit „Frame“ weiter, allein schon per Label das Versponnene gegen das international Gängige tauschend. Die bis 2007 entwickelten 21 Ausgaben waren jeweils einem Thema gewidmet, den Konkurrenten wie „Texte zur Kunst“ oder „Springerin“, wie sie in den Neunzigern kamen, folgend. Mitte der Neunziger hatte es, präsentiert in der Galerie 5020 in Salzburg, noch ein Zeitschriftenprojekt gegeben, „Medusa“ genannt, ein One-Hit-Wonder, in dem Pühringer seine Favoriten wie Michael Biberstein oder Marie-Jo Lafonataine ausführlich zu Wort kommen lassen wollte. „Frame“ hatte seinen Sitz in Wien. Pühringer pflegte die Babys, die seine Themenhefte waren, liebevoll. Aufwendige Relaunchparties ließ er sich nicht nehmen, die größte Sause gab es im Semper-Depot, als er nach jahrelanger Vorarbeit zusammen mit Markus Mittringer „Servus Austria“ hatte herausbringen können, im Sommer 2007, das auf 500 Seiten sehr deutlich den Anspruch markierte, den nationalen „State of the Art“ zu verkörpern. Pühringer, so sah es aus, konnte den Aufwand mit Künstler-Editionen stemmen, die seine Zeitschriftentätigkeit von Anfang an begleiteten und förderten. Sie konnten ihn nicht stemmen. „Servus Austria“ war der Abgesang. Vier Jahre später tauchte Pühringer wieder auf, diesmal in Berlin. „Untitled“ hieß nun die Folge, in der fünf Hefte erschienen, bis der Krebs Pühringer zum finalen Moment zwang. Er mochte es kulinarisch. Kochen und Essen war sein Leib- und Magenthema, er frönte ihm bei Vernissagen, in seinem Häuschen in Umbrien, aber auch, wenn man ihm zufällig auf der Straße begegnete, denn normalerweise war er beim Einkaufen für den Abend. Er mochte es auch kulinarisch in der Kunst, sein Faible galt einer Ästhetik des Sublimen, die entrückte und ein wenig auch den Popanz liebte. Er mochte es kulinarisch in der Kunst und wusste, dass er damit Begriff und Phänomen dieser immer auch sehr wortlastigen Sache Kunst nicht beikam. Er liebte das Unsagbare und umgab es mit viel Gesagtem. Das ist der Job eines Herausgebers. Er war ein guter Herausgeber.
Alexander Pühringer, Portrait nach einer Langezeitbelichtung von Michael Wesely