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Harun Farocki 1944–2014

Die Überwachung und der Kapitalismus, die Arbeitswelt und das Militärische: In Harun Farockis Filmen und Installationen wurde sichtbar, wie sehr diese Themen miteinander kommunizieren. Der 1944 in Nový Ji?ín/Neu Titschein, heute Tschechien, geborene Filmemacher und Künstler erregte bereits 1969 – ein Jahr, nachdem er von der Berliner Filmakademie geflogen war – mit seinem radikalen Film „Nicht löschbares Feuer“ Aufsehen: Darin verbrannte er sich, um nur eine ansatzweise Vorstellung von den Auswirkungen der Napalm-Bombe zu geben, seinen Handrücken mit einer Zigarette. Seine Beschäftigung mit dem heute so virulenten Thema Überwachung begann früh. Durch seinen Film „Gefängnisbilder“ von 2000 zieht sich etwa das omnipräsente Kameraauge – die Beobachtung von Häftlingen in einem Gefängnishof findet seine Parallele in jenen Untersuchungen, in denen Einkaufswägen zwecks Umsatzsteigerung ebenso elektronisch markiert und verfolgt werden können: staatliche Gewalt und kapitalistische Interessen im Gleichklang. Auch in seiner jüngeren vierteiligen Arbeit „Ernste Spiele“, die derzeit im Hamburger Bahnhof in Berlin zu sehen ist, thematisierte er Disziplinierungsmaßnahmen – in US-amerikanischen Militäreinrichtungen beobachtete er Soldaten beim Training mittels Computersimulation. In Farockis Arbeiten treten Unternehmensberater und PR-Strategen, Rhetoriklehrer und Motivationstrainer, Seminarleiter und Marketingexperten auf den Plan – und immer, wie etwa in Filmen wie „Die Schulung“ von 1987 oder „Die Schöpfer der Einkaufswelten“ von 2001 werden ihre Methoden demaskiert, sie selbst aber keineswegs desavouiert: Sie vertreten bloß ein System, dessen Teil wir selbst sind. Erst kürzlich schloss Farocki eine gemeinsame Filmarbeit mit Christian Pezold ab, mit dem er gemeinsam einige Drehbücher verfasst hat; der Spielfilm „Phoenix“ wird im September in die Kinos kommen. Ebenso souverän wie er zwischen den Genres wechselte, switchte er auch zwischen den Sparten: Im Filmbetrieb war er ebenso daheim wie in der Kunst; er unterrichtete zwischen 2004 und 2011an der Akademie der bildenden Künste Wien und zählte auch zu jenen, die das intellektuelle Umfeld der Generali Foundation prägten – etwa mit seiner Ausstellung „Kino wie noch nie“. Gestern, Mittwoch verstarb Harun Farocki im Alter von 70 Jahren.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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