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Where´s your name in print? Backstage in der Kunst

„No! I am assistant to the curator!“ Der junge Mann reagierte schnell und etwas säuerlich, nachdem er mit Vornamen und mit der Funktionsbezeichnung „Production“ vorgestellt worden war. Er hatte beim Einrichten einer Vitrine geholfen und prompt sah er jenes symbolische Kapital gefährdet, das der Kunstbetrieb gerne nur an „inhaltlich“ Beteiligte vergibt. Ich fragte mich, ob ein „Producer“ wohl ähnlich gekränkt gewesen wäre, wenn man ihn als Assistenten des Kurators vorgestellt hätte. Ein schneller Blick in den Kurzführer ergab, dass der Betreffende als „Curatorial Assistant“ verzeichnet war. Im Hinausgehen versuchte ich ihm zu signalisieren, dass ich seine kuratorische Mitverantwortung nunmehr wahrgenommen hätte, indem ich mich mit einem „Congratulations – Great Show“ verabschiedete. Die Szene – mitten im Previewgeschehen einer internationalen Großausstellung – erinnerte mich an eine Auseinandersetzung in Wien, in der es darum ging, dass eine Ausstellungsmitarbeiterin lieber als „Assistenzkuratorin“ denn als „Assistentin der Kuratorin“ bezeichnet werden wollte. Die Diskussion war ihr umso wichtiger, als bereits klargestellt worden war, dass sie nicht mit dem begehrteren Credit einer „Co-Kuratorin“ rechnen könne. Es war richtig von der Betreffenden, diese Diskussion zu führen. Die Festlegung adäquater Jobtitel und Vereinbarungen über die damit verbundenen Nennungen sollten eine Selbstverständlichkeit von Arbeitsvereinbarungen sein. Es behaupten ohnehin nur jene, die prestigeträchtige Nennungen unbestritten für sich in Anspruch nehmen können, auf diese keinen Wert zu legen. Frauen sollten dabei mit Assistenzbezeichnungen noch vorsichtiger umgehen, da sie neben dominanten Leitungspersonen auch dort als „assistierend“ wahrgenommen werden, wo sie eindeutige Bereichsverantwortung tragen. Die Bedeutung von Nennungen machte mir vor Jahren ein Restaurantbesitzer in New York klar, der zu Beginn eines Sponsoringgesprächs skeptisch in den Informationsmaterialien blätterte und fragte: „Where´s your name in print?“ Bei Vorbesichtigungen von Ausstellungen werden die AkteurInnen im Hintergrund sichtbar: An allen Orten wird noch geputzt, gehämmert und geschraubt. Die Erzählungen der KünstlerInnen kreisen um Probleme mit der Produktion. Die Erzählungen der Produktion kreisen um Probleme mit den KünstlerInnen und an den Akkreditierungsschaltern finden sich jene, die mit Informationen, Materialien und Service für den Goodwill verantwortlich sind, von dem Großveranstaltungen abhängig sind. Allen Beteiligten im Backstage ist dabei klar, dass ihre Arbeit nur dann beschrieben werden wird, wenn etwas nicht funktioniert. Der pünktliche Shuttle, die gute Infografik und ein reibungsloser Ablauf werden nie erwähnt werden. Vorbesichtigungen sind jedoch auch der Umschlagplatz symbolischen Kapitals und wir haben bereits bei anderer Gelegenheit beschrieben, zu welcher Betriebsamkeit dieses Marktgeschehen führt. Auffällig ist dabei, dass der Wettstreit um Aufmerksamkeit auf allen Funktionsebenen ausgetragen wird, da nicht nur das Fortkommen der ausstellenden KünstlerInnen, sondern die berufliche Zukunft aller Beteiligten auf dem Spiel steht. Bei internationalen Ausstellungen mit ihren großen temporären Teams endet am Tag der Eröffnung für viele die Beschäftigung und Wahrnehmungen im Rahmen der Eröffnungstage könnten für die Jobsuche neue Impulse bringen. Der Kreis zum Fachpublikum schließt sich dort, wo der Besuch von „Professional Previews“ auch für die Besuchenden nicht zuletzt dazu dient, die eigene berufliche Position zu behaupten, auszubauen oder neu zu begründen. Wenn der eingangs erwähnte „Curatorial Assistant“ also Wert auf eine korrekte Vorstellung legt, dann agiert er imBewusstsein selbst im Schaufenster zu stehen. In Zeiten flexibilisierter Arbeit ist jeder die Litfaßsäule seiner selbst. Sehen zu viele den Assistenten als „Producer“ werden die Angebote aus anderen Richtungen kommen, als wenn es ihm gelingt, seine Mitverantwortung für Auswahl und Konzept zu signalisieren. Es soll jedoch an dieser Stelle betont werden, dass die Abgrenzung von „kuratorischer“ und „organisatorischer“ Arbeit in Zeiten von Auftragsarbeit, Site-Specificity und Research-Based-Practices schwammig bis irrelevant wird. Dennoch besteht eine subtile Hierachie zwischen dem „Inhaltlichen“ und dem „Praktischen“, die sich etwa in der bisweilen gehörten Frage zeigt, ob denn jemand „nur“ in der Organisation gearbeitet, oder „auch konzeptuell“ mitgewirkt hätte. In der Kunstproduktion, wo die längste Zeit nicht nur die Arbeit sondern auch der Mitarbeitende im Produkt verschwand, stand oft immer nur ein „Thank You“ vor einer Liste von Mitwirkenden, die in Film und Theater schon lange eigene Berufsbezeichnungen hatten. Später wurden dann alle pauschal „Assistants“ oder „Team“ genannt, doch in letzter Zeit finden sich in den Angaben zu Kunstwerken zunehmend präzisere Funktionsbezeichnungen wie „Sound Engineer“ oder „Technical Advisor“. Die auffälligsten Verschiebungen fanden dort statt, wo die Frauen mancher prominenter Künstler nunmehr als gleichberechtigte Mitautorinnen anerkannt und genannt werden. Das Thema begleitete uns: Aus New York wurde beim Essen von Versuchen zur Gründung einer Interessensvertretung der Aufbau- und HängespezialistInnen berichtet, die den Titel „AHA – Art Handlers Association“ tragen soll. Am selben Tisch bemerkte eine Kuratorin pointiert, dass den Titelzusatz „Associate Director“ nur „white males above a certain age“ bekämen. Später sollte die Leiterin der „Public Programs“ Wert darauf legen, dass sie eigentlich zu dritt gearbeitet hätten, als sie gefragt wurde, warum sie nicht auf dem Podium der Pressekonferenz saß. Ein Künstler aus Moldau organisierte über eine Telefonstafette von Freunden in lokalen Theater- und Museumswerkstätten letztendlich selbst jenen Sockel, auf den er seit Tagen gewartet hatte, und als ich am Ende des Abends einer der bekannteren Beteiligten einer Gruppenperformance gratulieren wollte, wurde ich prompt von den jüngeren Leuten neben ihr mit einer wichtigen Erinnerung bedacht: „It was a collective work!“
Mehr Texte von Martin Fritz

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