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Am Beispiel El Greco

Je ausgeprägter, je individualistischer, je unverwechselbarer und stilistisch unzeitgemäßer die Handschrift einer Künstlerin, eines Künstlers ist – umso mehr drängt sich die Frage auf, inwieweit und warum solch eine Künstlerpersönlichkeit, die nicht dem landläufigen Zeitgeschmack mit seinen jeweiligen künstlerischen Kriterien/Moden entspricht, trotzdem eine wichtige/bedeutende Rolle einnehmen kann. Oder auch nicht. Die Kunstwelt „feiert“ heuer den 400sten Todestag von El Greco. Seit Beginn des 20. Jhdts – vorher war sein Werk in der Rezeption nahezu inexistent – wurde und wird El Greco gleichsam zum Wunderwuzzivorläufer des Expressionismus hochjubiliert. Bewundert und verehrt bis hin zu „der beste Maler aller Zeiten“ reichen die superlativen Jubeltexte zahlloser Kunsthistoriker und kunstaffiner Verehrer. Aber wenn man die wunderbaren Bilder von El Greco betrachtet, könnte man auch ohne weiteres feststellen, dass sein Malstil gar nicht so innovativ und revolutionär war. Vielleicht konnte er, an damaligen Maßstäben gemessen, einfach nur nicht „richtig“ malen. Vielleicht war El Greco seiner Zeit somit tatsächlich einige Jahrhunderte voraus. Weil in unserer Zeit die künstlerisch-handwerkliche Qualität – was immer das ist und wie immer sich diese darstellt und/oder definiert wird - keine allzu große Rolle mehr spielt; in der Ausdruck und Emotion, Aussage und Auflehnung eindeutig im Vordergrund stehen. Und vielleicht ist El Greco – und dieser Meinung bin ich – gar kein umjubelter Vorläufer der expressiven Kunst, sondern der erste Künstler der Art brut. Vielleicht war es ihm völlig egal, wie seine Bilder aussehen. Vielleicht war er einfach von künstlerischer und religiöser Leidenschaft getrieben. Vielleicht war er mangels akademischen Talents gezwungen, sich Kraft seiner Persönlichkeit und Eloquenz zu einem singulären Outsider – um auch diesen zeitgeistigen Begriff unterzubringen - hochzustilisieren. Einem Künstler, der mit seinem Tod auch sofort zu einem Vergessenen wurde. Jahrhundertelang. Vielleicht sollen wir uns einfach hin und wieder vergewissern, dass ein Kunstwerk mit all seinen geheimnisvollen Leidenschaften des Künstlers wahrer ist, als eine Kunst, die nur von Können kommt.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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