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Infinite Jest - Unendlicher Spaß: Wir optimieren uns zu Tode

Zugegeben, ob es sich nun um eine Ausstellung handelt oder um einen Text, ein guter Titel ist nicht nur der beste Teaser sondern die halbe Miete. Infinite Jest beziehungsweise dessen deutsche Übersetzung Unendlicher Spass ist definitiv ein guter Titel. Er bezieht sich auf den gleichnamigen Roman von David Foster Wallace, 1996 erschienen, 2009 in deutscher Übersetzung, für viele gilt es als eines der wichtigsten amerikanischen Bücher unserer Zeit. Für die Ausstellung in der Frankfurter Schirn Kunsthalle wurde vom Kurator Matthias Ulrich der Titel, wie auch die nicht lineare Struktur des literarischen Vorbilds übernommen. Zeigen sich die Handlungsstränge im Roman nicht wirklich narrativ verknüpft, so folgt auch das Konzept der Ausstellung nicht einem vorgegebenen Parcours , sondern kann beliebig rezipiert werden. Thema der Ausstellung ist laut Kurator das „Ich“ am Beginn des 21. Jahrhunderts. Das menschliche Individuum, überfordert von all den Möglichkeiten, ständig gefordert anpassungsfähig zu sein, diszipliniert, optimiert und darüber hinaus medial erfassbar in einer Weise, die selbst genehm ist und freilich stets gut informiert. Eigentlich entspricht dies ständige Kreisen um sich selbst einer Existenz, die man allenthalben von Pubertierenden kennt, doch wenn Jugendlichkeit als Beruf gelebt wird, stellt dies auch kein größeres Problem dar. Alicja Kwades zum perfekten Kreis gebogenes Rennrad „Reise ohne Ankunft“ oder der Loop „Kreisel“ passen hier nicht nur buchstäblich perfekt. Insgesamt 18 Positionen versammelt die Schau, bisweilen mit Hang zum Grotesken, die meisten sind für sich ganz wunderbar. Doch irgendwie will das Konzept nicht so ganz aufgehen. Man klammert sich etwas ans Begleitheft, was die Sache leider auch nicht unbedingt einfacher werden lässt. Sechs Autorinnen nehmen sich der Erklärung der einzelnen Positionen an, sie alle scheinen ganz viel zu wollen, ob der geneigte Leser in diesem Moment das auch alles wissen will, sei dahingestellt. Irgendwann fragt man sich, ob es wirklich Rudolf Steiner bedarf um die Idee hinter Maurizio Catteans „Spermini“ zu vermitteln und angesichts von Judith Hopfs mit Gesichtern versehenen „erschöpften“ Vasen zu allererst darüber informiert zu werden, dass die Künstlerin besonders für ihre Film- und Mulitmediaprojekte bekannt ist. Muss man bei der zauberhaften Installation von Lara Favaretto, in der Kiloweise Konfetti in hinter einer Glasscheibe von Ventilatoren bewegt werden, wirklich Walter de Marias New Yorker „Earthroom“ von 1977 als Beleg herankarren? Auch der schreibende kunst- und bildwissenschaftliche Nachwuchs scheint sich in Sachen Selbstoptimierung zu üben. Ein guter Titel ist dann doch nur die halbe Miete vom Gesamtpaket einer gelungenen Ausstellung. David Foster Wallace seinerseits übrigens bezieht sich mit „Infinite Jest“ auf Shakespeare. Hamlet, sinniert angesichts eines Totenschädels – nein, nicht über „Sein oder Nichtsein“ – über Yorick, zu dem der Schädel einst gehörte. Der Protagonist kannte ihn gut, –„a fellow of infinite jest“.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Infinite Jest - Unendlicher Spaß
05.06 - 07.09.2014

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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