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Edmund de Waal: Über die Schönheit

Die Keramik hat im Kunstkontext – und wohl überhaupt – gegenwärtig nicht den besten Stand: Zu sehr wird sie mit dem – bäh! – Kunsthandwerklichen assoziiert, das nicht gerade das größte Ansehen genießt. Vergessen die Tatsache, dass die Keramik in der Moderne eine regelrechte Tradition besitzt – in Österreich denkt man gleich an die bekannten Exponenten der Wiener Werkstätte, doch auch jene der Avantgarde, die Konstruktivisten und Suprematisten, stellten Teller und Häferl her, malten ihre schwebenden Formen darauf. Mit all dem haben die Arbeiten von Edmund de Waal – ja, „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ – bloß die Technik gemein. Mittlerweile ist der hierzulande bis vor kurzem vor allem als Schriftsteller bekannte Brite ein veritabler Kunstmarktstar, wird von Gagosian vertreten und erzielt angeblich Preise in sechsstelliger Höhe mit seinen Objekten. Seine dünnwandigen Becher – oder sollte man sie besser Zylinder nennen, denn es trinkt ja doch niemand aus ihnen – arrangierte er schon 2009 im Victoria & Albert Museum, jetzt auch im Theseustempel im Wiener Volksgarten: „Lichtzwang“ nennt er sein Diptychon, zwei verglaste weiße Regale, in denen eben jene – ebenfalls weiße – Gefäße stehen, die er bereits so häufig in unterschiedlichen Konstellationen präsentiert hat, in Hundertschaften aufgereiht, unregelmäßig geformt, in unterschiedlicher Größe. De Waal knüpft ein engmaschiges Netz an Bezügen – beginnend beim Titel, der einem Gedicht Paul Celans entnommen ist – und versteht es hervorragend, darüber zu sprechen: Das Weiß des Theseustempels, dessen Symmetrie, das Verhältnis zwischen strenger Struktur und menschlicher Form, die Musik von Bach bis Glass, das Licht – an all dem und noch viel mehr arbeitet er sich ab. Für eine Präsentation seines Doppelflügelaltars kann man sich kaum einen besseren Ort als den Theseustempel vorstellen, dessen Lichtverhältnisse sich im Laufe des Tages stark verändern – und damit auch das Weiß der kleinen Objekte, die wie Vögel auf Strommasten sitzen. De Waals Kunst ist offen für Assoziationen – und sie scheut sich nicht, dem großen und schwierigen Thema Schönheit ein neues Kapitel hinzuzufügen.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Edmund de Waal
30.04 - 05.10.2014

Theseustempel
1010 Wien, Volksgarten
https://www.khm.at
Öffnungszeiten: täglich 11-18 h


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