Werbung
,

Martin Creed - What’s the point of it?: Mister Fifty/Fifty

Es soll Menschen geben, die sind notorisch unentschlossen. Vor dem Kleiderschrank stehen sie ratlos, im Lokal ist die eben aufgegebene Bestellung eine völlig falsche, die sofort revidiert werden muss. Die Möglichkeit zu wählen, vermag leicht in einen Zustand der Überforderung zu versetzen. Dann lieber gleich alles. Oder vielleicht doch nicht? Geht es womöglich halbe/halbe? Martin Creed hat sich diese Option auf alle verfügbaren Möglichkeiten zum Arbeitsprinzip gemacht - was Medien und Materialien anbelangt und auch im Ausmaß, in der sie Verwendung finden. So ticken in einem Raum der Ausstellung in der Londoner Hayward Gallery gleich 39 Metronome in 39 verschiedenen Tempi, Zeichnungen mit Filzmarkern gibt es in der gesamten Farbpalette der Schreibware, ebenso sind die 1000 Brokkoli-Prints mit sämtlichen Anstrichen gedruckt, die verfügbar waren, ein Saal weiter schlägt ein Museumswärter von Zeit zu Zeit jede Taste eines Pianos einmal durch, danach folgt Stille. Etwas halb zu machen und halb nicht, gebe ihm das Gefühl es richtig zu machen, meint der Künstler, der 2001 mit der Arbeit „Nr. 227 - The lights going on and off“ den Turner Preis zugesprochen bekommen hat: Das „Ja und Nein“ wären einem „Ja oder Nein“ vorzuziehen und überhaupt wäre Konzeptkunst nicht so seine Sache, da er Ideen nicht von Gefühlen trennen könne. Creeds Ordnungssystem folgt gerne schlicht der Größe nach, es wird gestapelt, geschichtet und getürmt, jedem on folgt ein off, jedem up ein down und wieder zurück, auch wenn es – wie im Falle der Projektion eines erigierten Penisses im Mechanismus des Heben und Sinkens – wider die Natur erscheint. In Anbetracht der Vielfältigkeit dieses Œvres mag die konzeptuelle Absage ebenso etwas kokett erscheinen wie die Frage im Titel der Ausstellung „What's the point of it? Ganz zu Beginn der Ausstellung trifft es Creed doch ziemlich auf den Punkt. Ganz wie früher, als es darum ging, groß genug für ein Fahrgeschäft am Rummel zu sein, wird die Körperlänge des Ausstellungsbesuchers überprüft. Stimmt das Maß, darf er passieren, ist er zu groß, wird er angehalten, einen anderen Eingang zu benutzen. Ganz zurecht, denn im ersten Raum rotiert bedrohlich bis lebensgefährlich ein Stahlträger über die Köpfe hinweg. Auf ihm prangt in 2 Meter hohen Lettern das Wort MOTHERS. Auch die Engländer haben ihren Freud gelernt.
Mehr Texte von Daniela Gregori

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Martin Creed - What’s the point of it?
29.01 - 27.04.2014

Hayward Gallery
SE1 8XX London, Belvedere Road
http://www.southbankcentre.co.uk/venues/hayward-gallery
Öffnungszeiten: Mo 12-18, Di, Mi, Sa, So 10-18, Do, Fr 10-20 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: