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Martha Jungwirth - Retrospektive: Krokodil im Karpfenteich

Martha Jungwirth gehört zu den interessantesten Künstlern Österreichs und zwar ohne Einschränkung auf die weibliche Form. Und sie ist nicht eine „Wilde“, sondern eine der sensibelsten und poetischsten Künstlerinnen – da verwende ich dann doch die weibliche Form - obwohl ich auch mit diesen Adjektiven die gesamte Künstlerszene meine, der man heute im Grossen und Ganzen ja nicht allzuviel Sensibilität unterstellen kann.

Obwohl Martha Jungwirth in der Kremser Kunsthalle eine Ausstellung zum unrunden, aber doch relativ hohen Geburtstag, nämlich dem 74., ausgerichtet wurde, ist sie alterslos und, wie alle wirklich guten Künstler jung und frisch und neugierig und arbeitsam, stets aufs Neue begierig, was denn da entsteht auf dem weissen Blatt Papier oder der weissen Leinwand, was sich da zusammenballt an Farbe und Form in kleinen wie in grossen Formaten, im bevorzugten Aquarell, seltener in Öl.

Ihre Themen sind Landschaften, diverse Objekte und Portraits, aber nichts Gegenständliches oder gar Liebliches. Es sind Stimmungen, die sie bei gewissen Themen empfindet, es sind Ausdruck und Assoziation auf Erlebtes und Erdachtes, Erinnerungen an geliebte Menschen, Beobachtungen, auch von ihren vielen Reisen in exotische Länder.

Gegenstandslos und scheinbar absichtslos, aber mit Leidenschaft geht sie ans Bild heran, man spürt die Bewegung, den Rhythmus der grossen Geste und selbst da, wo sie einen Titel nennt, geht es nicht ums Erkennen der „Spittelauer Lände“ etwa, oder von Küchengeräten, wie in der Serie „Indesit“, sondern um ihre Interpretation eines Eindrucks oder einer Beschäftigung mit einem Erlebnis, einer Sache – wie mit dem Innenleben einer Küchenmaschine eben - die aber immerhin Harald Szeemann so beeindruckte, dass er sie 1975 in seine Ausstellung „Junggesellenmaschinen“ aufnahm und 1977 auf die Documenta einlud.

Martha Jungwirth wird gerne als eine der „Unbekannten“ in der Kunstszene apostrophiert, aber das ist sie nicht, wenn es auch nicht allzuviele Ausstellungen gab. Aber was waren das für Ausstellungen! Als beispielsweise Otto Breicha 1960 einige Maler für eine Ausstellung in der Secession zusammenstellte und diese völlig unterschiedlichen Künstler „Wirklichkeiten“ nannte. Es waren das die Wirklichkeiten dieser Zeit, von Wolfgang Herzig bis Robert Zeppel-Sperl, von Kurt Kocherscheid, Franz Ringel bis Peter Pongratz. Sie waren alle jung, hatten gerade ihre Studien abgeschlossen und traten in die Welt der Kunstszene. Und mitten drin Martha Jungwirth, die Zwanzigjährige. Alfred Schmeller hatte diese Gruppe, die eigentlich gar keine war, das „Krokodil im Karpfenteich“ genannt. Das Krokodil Martha wurde später seine Frau.

Es waren eben nicht unbedingt die Galerien, oder der sogenannte „Kunstbetrieb“, der von Martha Jungwirth Notiz nahm, sondern die wichtigsten Persönlichkeiten der Kunstbetrachtung und Ausstellungsmacher: Otto Breicha, Harald Szeemann und Alfred Schmeller. Diese weitsichtigen Kunstfachleute erkannten Martha Jungwirth in ihrer originären und außerordentlichen Kunst und nahmen sie in ihre Ausstellungen auf, wie zuletzt auch der Maler Albert Oehlen, der in der Sammlung Essl Martha Jungwirth 2010 „neu entdeckt“ hat und ihr einen Saal widmete.

Auch im Burgenland erinnerte man sich der Künstlerin, als Franziska Helmreich 2012 in Jennersdorf für die Malerin eine grosse Halle auftrieb in der sie mit grosser Freude und Tatkraft riesige Papiere und Leinwände malen konnte, was in ihren kleineren Ateliers in Wien oder im burgenländischen Haus nicht möglich ist.

Eine vielleicht zufällige, aber umso bemerkenswertere Koinzidenz ist, dass Otto Breicha im Klagenfurter Künstlerhaus 1993 eine Ausstellung von Martha Jungwirth gemeinsam mit Peter Krawagna und Franz Ringel präsentierte, und dass zurzeit im Museum Moderner Kunst in Klagenfurt eine ähnlich grosse Retrospektive von Peter Krawagna stattfindet, wie die von Martha Jungwirth in der Kunsthalle. Es wäre es wert diese beiden Künstler und ihre Ausstellungen gegenüberzustellen, beide sind konsequent ihren eigenen Weg gegangen, weit weg von allen Trends und aktuellen Tendenzen.

Und nun also Krems. Es ist eine besonders schöne und kluge Ausstellung, die Hans-Peter Wipplinger zusammengestellt hat. Sie zeigt Arbeiten aus allen Schaffensperioden und man erlebt den Weg einer Künstlerin von den Anfängen bis heute. Vergessen war sie nie, und dass der Kunstbetrieb sie nicht reizte sondern eher schrecke, war für ihr Werk sicherlich gut und sinnvoll. So konnte sie in aller Stille und gelegentlich totaler Zurückgezogenheit arbeiten und weil sie sich nie anpassen musste gibt es bei Martha Jungwirth keine Floskeln, nichts Vordergründiges oder Eitles. Die Bilder sind von ungeheurer Frische und Lebendigkeit, jedes Einzelne ist eine Welt für sich und es ist gut, dass locker gehängt wurde und man das einzelne Bild in Ruhe betrachten und erkennen kann.

Mehr Texte von Angelica Bäumer

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Martha Jungwirth - Retrospektive
13.07 - 09.11.2014

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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