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Fragile Hands (after Marker) - A curatorial essay on stated subjectivities: Engagement statt Befindlichkeit

Between Applied Arts and Applied Politics - Annotations on Fragile Hands, an Exhibition of the University of Applied Arts "In the exhibition "Fragile Hands" at the University of Applied Arts Vienna, /.../ 27 participating artists from 8 different countries thematize political and social transformations in our society before the backdrop of global capitalism in the guise of democracy." Dieses Statement, aus dem Vorwort des Katalogs zur Ausstellung "Fragile Hands" (kuratiert von Shaheen Merali) von Gerald Bast, Rektor der im Ausstellungstitel angesprochenen Kunstuniversität, ist bemerkenswert. Könnte doch damit suggeriert werden, dass das Verhältnis zwischen Kapitalismus und wirklicher Demokratie vielleicht doch nicht so naturgegeben ist, wie es die industriellen Massenmedien zusammen mit bestimmten Machtinteressen, penetrant und propagandistisch heraustrompeten, ja, dass diese beiden gesellschaftlichen Organisationsformen in Reinform möglicherweise sogar inkompatibel seien. Mit dem weiteren, fast revolutionären Aufruf: "Artists must do more than react to social change: they must actively engage in making it happen!" und weiteren kritischen Gesprächen und Anmerkungen während des die Ausstellung begleitenden Symposiums "Cultural Policies in Cities", das sich den Themen Kunst/Politik/Gesellschaft widmete, implizierte Gerald Bast, dass Bildung und reale Demokratie sich gegenseitig bedingen - zumindest wenn unter Demokratie nicht Marktdemokratie und grenzenlos ausufernde (politische) Verdummung verstanden wird, an deren interessengeleiteter Konsens-Herstellung von Massenmedien, Wirtschaft, Politik und bestimmten Sektoren des akademischen Establishments im Rahmen globaler Klassen- und imperialistischer Konkurrenzkonflikte, fieberhaft und permanent gearbeitet wird. Denn, wahrhafte globale Teilhabe und Engagement, setzen zur Realisierung allerdings Freiheit von ökonomischen Überlebenssorgen und dazu vor allem (politische) Bildung, im Gegensatz zu marktkonformer Ausbildung, voraus. Kunst- und Bildungsinstitutionen könnten dann als bewusstseinsverändernde Plattformen fungieren, sofern ihre Protagonisten bereit wären, weniger Teil dieses Establishments sein zu wollen, um institutionskritische Debatten zur marktkonformen Degenerierung von Kultur und Bildung aktiv zu befördern, was allerdings über Vernissagen-Rhetorik und small talk über meist unverfänglich-subjektivistische künstlerische Positionen, oder das bloße Konsequenz-lose Vorhandensein real-kritischer Kunst im Fundus öffentlicher Institutionen, oder in jenem der um Profit und Destinktionsgewinn ringenden privaten Sammlungen, hinausgehen müsste. Letztere gehören zudem gelegentlich zu Strukturen, die besonders unter Instrumentalisierung öffentlicher Ressourcen, zu Lasten des Sozial- und Bildungssektors finanziert oder gerettet werden. Die Eingangszitate beziehen sich auf den Impetus dessen, was durch Katalog, Symposium und der Schau folgen sollte. Im ambitioniert neu ausgerichteten Ausstellungszentrum Heiligenkreuzerhof, signalisiert die Universität für Angewandte Kunst, dass sie in ihrem Curriculum bereit ist komfortable Mythen über das angebliche Supremat und den mondial erwünschten verbindlichen Modellcharakter westlicher Gesellschaften zu hinterfragen und zumindest im Hinblick auf die Diskurse über "subalterne" Welten, insbesondere dem Orient, sowie dem oftmals nicht-westlichen Kulturen entgegengebrachten Misstrauen und peinlich inszenierten neokolonialen "rassistischen Wissen" Massen-mediatisierter "Experten", entgegenzutreten und die Situation im Sinne Edward Said's kritisch zu kontextualisieren. Ausstellung und Symposium wollen durch die Integration einer Außenperspektive daran erinnern, dass Analyse und Bewusstseinsbildung auch im Interesse westlicher Politik-, Kunst- und Kulturdiskurse bedeutend seien, da die tragenden Kräfte geopolitischer Tendenzen im Zeichen diverser Interventionen oder der Abschottung, bei der Herstellung frenetisch angestrebter New World Orders, nicht nur in Südeuropa, Afrika und einigen Nah-, Mittel-, und Fernöstlichen Ländern, sondern buchstäblich global, etwa mittels manipulativer und verunsichernder Diskurse über vermeintliche oder tatsächliche Katastrophen und Bedrohungen, Migration und Immigration, oder "Terror und Sicherheit" etc., kritisches Denken, Demokratie, Bürgerliche Freiheiten und Rechte und Bildung prekarisieren, sowie alle Gemeingüter massiv unterminieren - "The chicken come home to roost"... Fragile Hands, das Ausstellungs-Manifest von Shaheen Merali wurde im Heiligenkreuzerhof der Universität für Angewandte Kunst mit bescheidenen finanziellen Mitteln realisiert und bereichert dennoch den Diskurs der globalisierten Gegenwartskunst. Die Hinterfragung der Interpretationshoheit über nicht-westliche kontemporäre Kunst aus der sogenannten "Peripherie", fern der okzidentalisierten globalisierten Kunstdiskurse und dem damit verbundenen Segment des Kunstmarktes, durchzieht den gesamten Ausstellungsparcours des Heiligenkreuzerhofs und war ein zentrales Thema des begleitenden Symposiums. Symbolisch wird Merali's interkultureller Dialog bereits durch die Installationen von Debesh Goswami verdeutlicht, die die beiden Ausstellungsräume außen über den Hof miteinander verbinden. Merali konfrontiert die kanonische Perspektive einer angeblichen linearen okzidentalisierten "Entwicklung" von Kunst mit Perspektiven der "Peripherien", woraus eine Kartographie von Geschichten, Einflüssen, Mappings, Transfers und vor allem auch - Widerständen - entsteht. Mit dieser Ausstellung eröffnen Shaheen Merali und die Universität für Angewandte Kunst die Möglichkeit eines wichtigen integrativen interkulturellen Polylogs, mit der Präsentation einer Vielzahl von ästhetischen Positionen. Fragile Hands veranschaulicht mit einem exemplarischen Fokus auf den Iran, Indien und Palästina, die komplexe und dynamische Beziehung zwischen Universalität und kultureller Eigenheiten, Authentizität und Multi-Lateralität kontemporaner Kunst. Zudem werden Konfliktthemen wie Historizität und kollektive Identität (e.g. Ramesch Daha; Probir Gupta; Rajkamal Kahlon; Lisl Ponger), individuelle und kulturelle Identitäten (e.g. Leena Kejriwal; Amin Nourani; Atefeh Samaei), Überwachung (e.g. Rajib Chowdhury; Taha Heydari; Katayoun Karami), Grenzen (e.g. Oliver Ressler) und ihre menschlichen Bedingungen und Dimensionen (e.g. Binu Bhaskar; Khald Jarrar) in Bezug auf Gewalt (e.g. Mohammed Al-Hawajiri; Tarazan & Arab Nasser) und Macht (e.g. JJ Xi) herausgearbeitet. Transmedial angelegt, werden Schnittmengen zwischen verschiedenen Medien und Techniken wie Gemälde, Zeichnung, Photografie, Installation, Performance, Film, ... gezeigt. Die Ausstellung versucht ein gemeinsames Bewusstsein aus den unterschiedlichen subjektiven Erfahrungen der Künstler in westlichen und nicht-westlichen Ländern, unter Einbeziehung historisch-kulturell unterschiedlicher Perspektiven, zu weben. Es ist an dieser Stelle leider nicht möglich detaillierter auf die umfangreichen Arbeiten einzugehen, dazu sei der Besuch der Ausstellung und der begleitende Katalog empfohlen. Zusammenfassend initiiert die Ausstellung fruchtbare Gedanken über: orientalische Kunst und ihren Platz in einer globalisierten Welt und dem Risiko einer modernen Form der "Orientalisierung ihrer Werke"; Versuche einer unilateralen prowestlichen Vereinnahmung von multikultureller Identität durch die Globalisierung, wodurch inzwischen auch die Wahrnehmung und Interpretation nicht-westlicher Kunst monopolisiert wird; das ökonomische Problem, Kunst aus nicht-westlichen Ländern für den Markt aufbereiten zu müssen, auch vor dem Hintergrund, dass sowohl künstlerische Akteure als auch finanzstarke Sammlungen etwa aus China, Indien und den arabischen Ländern infolge von Messe- und Ausstellungs-Hypes sich an bestimmten westlichen Codes orientieren etc.. Kunstschaffende aus diesen Ländern, oder Jene, die sich mit dieser Thematik befassen, sind mit erweiterten, teilweise widersprüchlichen Ansprüchen und defacto mit potentiellen politischen Repressalien aus allen Richtungen konfrontiert, die Fragile Hands, im angenehmen Kontrast allzu gegenwärtiger ego- und ethno-zentrischer Befindlichkeiten und postmoderner Beliebigkeit, auf spannende Art reflektiert. KünstlerInnen Mohammed Al-Hawajri (Palästina), Masoumeh Bakhtiary (Iran), Binu Bhaskar (Indien), Madhu und Hazra Chitrakar (Indien), Rajib Chowdhury (Indien), Ramesch Daha (Österreich/Iran), Natasha de Betak (Frankreich/Indien), Majid Fathizadeh (Iran), Debesh Goswami (Indien/Frankreich), Probir Gupta (Indien), Ghazaleh Hedayat (Iran), Taha Heydary (Iran), Khaled Jarrar (Palästina), Rajkamal Khalon (USA/Indien/Deutschland), Katayoun Karami (Iran), Leena Kejriwal (Indien), Amir Mobed (Iran), Masoumeh Mozafari (Iran), Tarzan und Arab Nasser (Palästina), Charley Nijensohn (Argentinien/Deutschland), Amin Nourani (Iran), Lisl Ponger (Österreich), Simit Raveshia (Indien), Oliver Ressler (Österreich), Atefeh Samaei (Iran), Rozita Sharafjahan (Iran), JJ Xi (China/Großbritannien)
Mehr Texte von Bariaa Mourad

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Fragile Hands (after Marker) - A curatorial essay on stated subjectivities
12.03 - 11.04.2014

Universitätsgalerie im Heiligenkreuzer Hof Wien
1010 Wien, Schönlaterngasse 5 oder Grashofgasse 3
Tel: 71133-2160, Fax: +43 1 711 33-6309
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