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8. Berlin Biennale: Mehr Blut!

Im Haus der Kunstwerke in Mitte erweist Juan A Gaitán den ausgewählten Künstlern dieselbe Großzügigkeit wie in Dahlem. So ist die Fläche im 1. Stock komplett einer Installation von Leonor Antunes (*1972, Lissabon) gewidmet. Mit kunstgewerblichen Materialien und Formen spielend, eignet sich die Künstlerin in diesem Environment die aus Naturmaterialien, gefertigte Erzeugnisse präkolumbischer Bevölkerungsgruppen aus Brasilien an. In der darüber liegenden Etage schlägt Judy Radul (*1962, Lillooet) in einem nachgebauten Ausstellungsparcours die Brücke zu den Dahlemer Museen und liefert auf 2 Bildschirmen synchronisierte Aufzeichnungen aus dem Museum, überblendet mit Liveaufnahmen aus den Kunstwerken, die den Eindruck der Gleichheit von Ort und Zeit bewirken. Sie kehrt den Blick um vom Objekt zum beobachtenden Subjekt als anthropologischer Entität, auf das hin die Sichtbarkeit der Exponate konstruiert wurde. Kolonialisierung Hand in Hand mit Industrialisierung und Nationalisierung im Wechselspiel von Ohnmacht und Emanzipation durchwirkt inhaltlich einen weiteren Komplex von Arbeiten. Bianca Baldis (*1985, Johannesburg) Videoinstallation „Zero Latitude“ bezieht sich auf den Afrikaforscher Pierre Savorgnan de Brazza und seinem Feldbett von Louis Vuitton. Santu Mofokeng (*1956, Johannesburg) widmet sich fotografierend dem Verlust von Stammesgebieten in Folge der Industrialisierung seines Landes. Auch Shilpa Gupta (*1976, Bombay) beschäftigen in ihrer Arbeit Fragen nach territorialer Ordnung im postkolonial zergliederten Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesch. Der Umgang mit Artefakten aus der Kolonialzeit wird zum Gegenstand für Cynthia Gutiérrez (*1978, Guadalajara). Das mit Blick auf die meisten archäologischen und völkerkundlichen Sammlungen heikle Thema exemplifiziert sie an Hand des Obelisken von Aksum, der als italienisches Raubgut 1937 nach Rom gelangte und 2005 nur widerwillig an Äthiopien zurückgegeben wurde. Als Quantité négligeable erweist sich der Ausstellungsteil im Haus am Waldsee. Die honorige Institution weist zwar mit einer Außenskulptur von Slavs and Tatars eines der Highlights der Biennale auf – thematisiert ist die politische Dimension der Übersetzung des islamischen Gebetsrufs ins Türkische auf Initiative Atatürks – doch im Innern weicht der in Mitte und Dahlem spürbare meditative Aspekt einer gewissen Kraftlosigkeit. Patrick Alan Banfields (*1984, München) Gegenüberstellung von urwüchsiger Natur und städtischer Betonwüste ist schön anzusehen, aber anno 2014 als Bildrhetorik verbraucht. Matts Leiderstams (*1956, Göteborg) Reproduktionen der Vorder- und Rückseiten alter Meister steht der Museumspädagogik näher, als der Kunst und Carla Zaccagninis (*1973, Buenos Aires) bibliophile Sammlung zur Liebesgeschichte von „Paul et Virginie“ hat ebenfalls eher literaturgeschichtlichen Charakter. Auch gelingt eine beabsichtigte Verzahnung mit der ursprünglichen Funktion des Gebäudes als Wohnhaus nicht; schließlich leidet die Verknüpfung mit entliehenen Objekten aus anderen Ausstellungsteilen (A Private Collection) an einer Präsentationsweise, der es ein wenig an Blut und gelber Galle mangelt...
Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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8. Berlin Biennale
29.05 - 03.08.2014

Haus am Waldsee
14163 Berlin, Argentinische Allee 30
Tel: +49 30 801 89 35, Fax: +49 30 802 20 28
Email: info@hausamwaldsee.de
http://www.hausamwaldsee.de
Öffnungszeiten: Di - So 11-18 h

KW Institute for Contemporary Art
10117 Berlin, Auguststraße 69
Tel: 0049 (0) 30. 24 34 59 0, Fax: 0049 (0) 30. 24 34 59 99
Email: info@kw-berlin.de
http://www.kw-berlin.de
Öffnungszeiten: Mi-Mo 11-19, Do 11-21 h


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