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Digit@l frictions: Lustvoll–kritisches Experiment

Die digitale Kunst steckt ein spannendes Feld ab: ein bereits verwendeter digitaler Code wird seinem ursprünglichen Zweck entfremdet und integrales Werkzeug in einem anders orientierten Kontext. Durch die Verschiedenheit der einzelnen ideellen wie ästhetischen Ansätze und Methoden werden auch erst jüngst definierte Genres überschritten, Begrifflichkeiten wie Medien–Skulptur, Sonifizierung, Robotik, Responsive Environment, Bio Art oder Augmented Reality werden neu durchdacht und elastischer artikuliert. Ein vielgestaltiges Spektrum dessen zeigt digit@l fricitions. Der Beginn ist gleich ziemlich spektakulär. Mit einer geometrischen Kopfapparatur, die auf Licht reagiert und den Träger mit einer dementsprechenden Soundcollage umhüllt (1) oder einer verspielten Hommage auf Franz Wests Höhenflug am Kunstmarkt. In Anspielung auf seine Person wird eine Rolle Alufolie abgewickelt, als performative glitzernde Skulptur, ferngesteuert durch ein Gerät mit einer Miniversion seiner Lemurenköpfe (2). Ernsthafter sind die Bilder der Echtzeit–Animation, sehr persönliche Handyvideos eines verstorbenen Freundes sind mittels UV–Belichtung als wachsende Hefebilder am Monitor verfolgbar. Sinnbildlich wird das Abbild überwuchert und als Erinnerung verunklärt (3). Gegenüber wird in einer minimalistisch gleichförmigen Reihe von Bilderrahmen durch herkömmliche, sonst fast unhörbar knisternde Relais ein begehbarer, zart bewegter Klangraum erzeugt (4). Explizit wird die gesellschaftliche Gezwungenheit, immerfort lächelnd zu erscheinen, in einem Text auf einem Computerscreen erläutert. Dessen lesbare Präsenz verlangt allerdings das fortwährende Grinsen der Person vor dem Schirm, sonst erlischt der Text, sarkastisch aber konsequent (5). Vergnüglich katapultiert ein abgehängter Toaster je nach programmierter Neigung die gebräunten Brotscheiben in drei markierte Felder und zeichnet ein generisches Programm der Stromherkunft in Österreich nach (6). 24 defekte Festplatten werden als Lautsprecher–Matrix recycelt, durch die Beschädigungen wird der programmierte Algorithmus in stets neue Klangkompositionen übersetzt (7). Über und teilweise durch ein spartanisch klares Architekturmodell fahren mit entsprechender Geräuschkulisse animierte Scheinwerferlichter, die eine Lichtsituation im Ausstellungsraum erzeugen, die jene im Inneren des Modells simuliert, eine sensible Verschränkung von Innen und Außen, Intimität und Öffentlichkeit (8). Mit dem Medium Film wird sehr unterschiedlich umgegangen, die Strategie ist bisweilen eine Kombination von digitaler mit analoger Praxis: 16mm Filmmaterial wird mit Rotwein entwickelt und als Filmnegativ projiziert (9); traditionelle Trickfilmtechnik resultiert in einer vielteiligen simultan ablaufenden Collage (10); ein perfekt inszenierter Werbespot für ein Q–Wasser zur sexuellen Orientierung parodiert die gegenwärtige Legislative in Russland (11). Es gelingen sehr spezifische Spiegelungen von prekären sozialen, ökologischen oder politischen Situationen und die treffende Kritik daran. Auf spezielle Aktualität stößt ein Projekt nach eineinhalb Jahren Recherche. Das Thema Sexworkerinnen in Wien ist in filmischen Interviews, einer drapierten kargen Liegezelle und in projizierten prägnanten Zitaten der betroffenen Frauen authentisch aufbereitet, Brisanz und Komplexität der Problematik vielseitig umrissen (12). Der Rundgang durch digit@l frictions ist durchaus unterhaltsam, beinhaltet Begegnungen mit vielschichtigen Werken, von gedanklicher Dichte und künstlerischer Schärfe genauso wie mit Exponaten, deren künstlerisches Drehmoment noch zu konkretisieren ist. Was die Diversitäten in der Ausstellung zu einem heterogenen Ganzen macht, ist das durchgehende Potenzial in den Arbeiten – aus drei Semestern intensivem Studium. Das bedeutet Experimentierfreudigkeit, kritisches Denken, Bezugnahme auf die Wirklichkeiten des Lebens und Phantasie auf Seite der StudentInnen, aber genauso individuelle Betreuung durch ein engagiertes lehrendes Team, das unter Ruth Schnell bei größtmöglicher Freiheit fördernd und fordernd die Studierenden führt, und gute Zusammenarbeit bei der präzise konzipierten Präsentation der entstandenen Werke – die Reaktion des eröffnenden Rektors Gerald Bast fiel euphorisch aus, er zeigte sich „überwältigt“. (1) Matthias Hurtl & Joseph Knierzinger, „helmet #1–#3“, 2013 (Partizipativer Apparat) (2) Florian Gutzwiller, “Wohin gehen(,) fliegen zum Sterben? (Raketenstart)”, 2013 (Rauminstallation mit Performance) (3) Lucas Czjzek, „ANIMA“, 2013 (BioArt Objekt, Echtzeit–Animation) (4) Patrick K.–H. (Anton Iakhontov) & Oleg Makarov, “Room Sketch: Sonic Relay Frameworks”, 2013 (Algorithmische Soundinstallation) (5) Norbert Unfug, “Smile”, 2013 (Interaktive Installation) (6) Johannes Früh, “Toaster”, 2013 (Toaster, Toastbrot, Seil, Servomotor, Arduino, 30V AC) (7) Daniel Gyolcs, “HD_O (Hard Disk Orchestra) 2560”, 2012 (Soundskulptur) (8) Julia Tazreiter, “one night”, 2013 (Kabelkanäle, Schranktür (Glas), Projektor, Kontaktlautsprecher, MacMini) (9) Milena Krobath, “Wein”, 2013 (Videoinstallation) (10) Christina Krämer, “Familienporträt”, 2013 (Videoinstallation mit Ton) (11) Nikita Zhukovskiy, “Q-Water”, 2013 (Wasser, PET-Flasche, Video) (12) Kathrin Stumreich & Conny Zenk, “Raum-X-Zone”, 2012/13 (Installation, Projektion, Video)
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Digit@l frictions
04 - 14.12.2013

das weisse haus (alter Standort)
1050 Wien, Kriehubergasse 24 - 26
Email: buero@dasweissehaus.at
http://www.dasweissehaus.at/
Öffnungszeiten: Di – Fr 13–19h, Sa 12–17h


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