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Der Jammer mit der Kunst

Das Museum: sakral. Die Sammler: statusgeil. Die Künstler: gelangweilt. Die Galeristen: geldgierig. Die Kritik: käuflich. Die Kuratoren: verblendet. So in etwa lautet der Grundtenor des kürzlich erschienenen Buches „Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe“ der Journalistin Nicole Zepter. Den – von der Verlags-PR lancierten – Anspruch, Tabus zu brechen, erfüllt der Text allerdings nicht: Denn so oder so ähnlich hat man die hier aufgestellten Überlegungen zur Verkommenheit des Kunstbetriebs schon gefühlte hundert Mal gelesen. Auch die Literatur nimmt sich gern des Themas an, in Daniel Kehlmanns „F“ führt ein Fälscher den als verblödet und korrupt skizzierten Kunstbetrieb an der Nase herum. Werden derzeit tatsächlich gern Niedergang und Belanglosigkeit der zeitgenössischen Kunst beklagt – oder entspricht diese Beobachtung bloß einer selektiven Wahrnehmung? In der „Zeit“ konstatierte Hanno Rauterberg kürzlich einen neuen Konservativismus: „Äußerlich vital und innerlich erloschen“ sei die Kunst der Gegenwart, nur noch von „Spektakel und Spekulation“ bestimmt, aufsehenerregend bestenfalls in ihrer Preisgestaltung, und überhaupt: „Wenn die Kunst nicht mehr bietet als Wohlfühlkulissen, wird sie sich rasch in eine dunkle Beliebigkeit verabschieden.“ Und im aktuellen „Spike“ erklärt der Theoretiker Suhail Malik „warum die zeitgenössische Kunst zerstört werden muss“. So lautet der Titel seines Textes, in dem der Autor kritisiert, dass die „zeitgenössische Kunst Standardfloskeln von Antifundamentalismus-Kritik, moralischer Pietät, apolitischer Politizität und kultureller Hegemonie unentwegt fröhlich recycelt.“ Solche Rundumschläge sind häufig mit einem Quäntchen Vergangenheitsverklärung gepaart. So wird mal darauf verwiesen, dass einst in den Museen heiter geschwatzt wurde (soll übrigens heute auch bisweilen vorkommen), dann wieder an den einst politischen Impetus der Kunst erinnert (der offenbar völlig verlustig gegangen ist). Meist kommen derartige Deklarationen mit gerechtem Zorn und dem Gestus des „Das muss jetzt einmal gesagt werden!“ daher. Denn die Kunst, so heißt es dann, soll schließlich „wieder“ relevanter, besser, politischer werden. Wie sie ja früher einmal war! Das herzhafte Wettern gegen die Kunst – aus dem Inneren des Kunstbetriebs – wurde freilich schon vor Jahrzehnten mit einer gewissen Leidenschaft gepflegt. Bereits Baudelaire klagte, dass die Kunst von einem „Volk von Mittelmäßigkeiten“ dominiert werde, „von Affen verschiedener Rassen und Kreuzungen, nirgends ansässige(n) Mischlinge(n), die tagtäglich aus einem Land in ein anderes hinüberwechseln, aus jedem die Bräuche mitnehmen, die ihnen genehm sind, und die es zu einem Charakter zu bringen hoffen, indem sie sich aus zusammengeklaubten Widersprüchen ein System zimmern.“ Neu ist am Kunsthass – oder sollte man besser sagen: am Kunstjammer? – also rein gar nichts.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Das sollte man unterscheiden:
crisfor | 14.10.2013 04:51 | antworten
Zeugnisse von Schriftstellern, die die Schlechtigkeit ihrer Kollegen oder den Literaturbetrieb ihrer Zeit allgemein beklagen, gibt es aus der Vergangenheit viele. In den ersten beiden Absätzen des Artikels geht es allerdings um Kunst in Museen, Bildende Kunst. Und die Unzufriedenheit wird nicht von KünstlerInnen, also den ProduzentInnen, geäußert, sondern will die Sicht des Publikums (Zepter) vertreten, oder kommt aus der Feder von Theoretikern.

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