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Des Kaisers neue Kleider

Da fliegen wir also nach Venedig. Biennaleschauen. Und auch was sonst noch so hochgejubelt wurde, wollen wir sehen. Wir wollen schließlich nichts versäumen. Also fangen wir – die Mittagszeit ist schon vorbei – gleich mit dem Palazzo Grassi an. Bei der Ausstellung von Rudolf Stingel. Die Kritiken, Besprechungen ergingen sich ja in Superlativen. Der Palazzo Grassi ist – von unten bis oben, von Raum zu Raum, vom Boden zur Wand - mit einem Teppich ausgelegt. Also ein mehrstöckiger Carpet Cube für Stingels kleine Heiligenbildchen. Die Leute irren meist hinter ihren Iphones versteckt durchs Grassiteppichland – staunend, ehrfürchtig, verwundert, hilflos auf der Suche nach Rudolf Stingel – there is one ruft freudig erregt eine nicht unfesche ältere Dame. Tatsächlich – ihr Entdeckungswille ist erfolgreich. Und noch ein sehr großer Palazzoraum. Viel Teppich aber diesmal kein Stingel. Nicht einmal ein noch so klitzekleiner. Da hängt ja überhaupt kein Bild an der Wand – ein dickrundlicher Germane ist fast schon verärgert. Aber da trifft auch schon eine kleine Kunstreisegruppe ein. Mit verzückten Gesichtern und wonderful, really the best jubilierend. Und während sich die glückliche Truppe gegenseitig vor den Teppichwänden fotografiert, hören wir plötzlich eine leise aber eindringlich/sphärische Kinderstimme die verwundert sagt „aber der Kaiser hat ja gar nichts an“. Da verlassen wir erleichtert diesen überheblichen Schauplatz. PS: Wer noch die Absicht hat, bis Ende November Venedig zu besuchen und eine wunderbare whitecubelose Präsentation sehen möchte – in den Palazzo Fortuny gehen und sich die Ausstellung von Antoni Tapies ansehen. So macht man das.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Mit Putz und Stingel
Wolfgang Stark | 01.10.2013 02:38 | antworten
"Nur wenn wir dann hören, dass der Künstler noch beim kleinsten Teppichstückchen höchstpersönlich bestimmt habe, wo es zu liegen kommen müsse, dann überschäumt er uns doch wieder einmal – der heilige Schauer der Kunst." aus Neue Züricher Zeitung, Samstag, 4. Mai 2013

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