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Gefühlsspeicher: Kunst-Stück: Hermann Nitsch - Bluttuch & Ödipus

Bluttuch aus einer Aktion, 1972 „Ödipus“ (Kopf des Nero, Marmor, Kopie nach 1800) 2013 Selbst wenn die Blut–Schüttbilder von Hermann Nitsch hinlänglich verbreitet sind, er das Thema bis heute mit erschöpfender Konsequenz reproduziert, ist bisweilen eine ergreifende Qualität unbestritten – wenn es sich um eine Arbeit vergleichbar mit jenem Aktionsrelikt handelt, das Julius Hummel aktuell ausstellt. Das Bluttuch aus einer Aktion von 1972 ist eigentlich mehr ein Rinn–Bild, das Blut scheint sich eigenwillig ausgebreitet und des weißen Grundes bemächtigt zu haben. Zu erdigen Nuancen gebräunt und stellenweise zur massigen Schicht gestockt wird die inhaltliche Körperbezogenheit in der dichten, matt glänzenden Materialität intensiviert. Verfall bzw. Verwesung wird auch zuständlich manifest. Wie Lichtblicke durchbrechen die klaren weißen, unbefleckt gebliebenen Inseln des Tuches das nekrophile Fluidum der erstarrten, sich bis an die Ränder erstreckenden Blutlacke. Julius Hummel hat das Aktionsrelikt mit der jüngst entstandenen Skulptur „Ödipus“ von Hermann Nitsch kombiniert. Auf einem glatten Marmorkubus montierte Nitsch eine historistische Replik eines römischen Nero–Kopfes, der fehlende Hals ist durch eine rohe Eisenstange ersetzt, eine Mullbinde über die Augen gewickelt. Rote Farbspuren treten darunter hervor und laufen bis auf den Steinblock. Hummel präsentiert das Werk auf einem schlichten Eisensockel vor dem Bluttuch. Das jüngere, durch das starke Rot der Farbe artifiziell wirkende Werk strahlt seine Dramatik auf die archaische Ruhe des Aktionsrelikts aus, dieses wiederum hinterspielt und umfasst den Kopf mit seiner schwebenden Sphäre. Das Ensemble bildet ein räumliches Gefüge, dessen Theatralik der Konsistenz von Nitsch’ Lebenswerk wesentlich entspricht. Assoziative Sinnschichten überlagern sich. Der an sich schon vieldeutige tragische, gegen die Gottheiten aufbegehrende Ödipus–Mythos vertieft sich in der prinzipiellen Bedingtheit des menschlichen Daseins, welches Ausgeliefertsein, Selbstverletzung, Grenzüberschreitung und Endlichkeit impliziert, das alles vor dem aktionistischen Hintergrund. Formale Diversität schließt sich in inhaltlicher Wesensverwandtschaft zu reserviertem Pathos.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Gefühlsspeicher
13.09 - 19.12.2013

Galerie Hummel
1010 Wien, Bäckerstraße 14
Tel: +43 222 512 12 96, Fax: 0222/512 12 964
Email: office@galeriehummel.com
http://www.galeriehummel.com/
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-18 h


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