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Arme Großkünstler

„Endlich geht es um die Kunstfreiheit. Das ist toll.“ So wurde Jonathan Meese kürzlich zitiert, als sein Prozess wegen, wie es im Juristendeutsch heißt, „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ erneut vertagt wurde. Endlich wird die Freiheit der Kunst, dieses unterdrückte Gut, zum Thema. Denn im westlichen Europa werden Künstler und Künstlerinnen heutzutage schließlich beinhart verfolgt und eingesperrt. Wer als „entartet“ gilt, läuft Gefahr, verhaftet zu werden. Bücher werden verbrannt. Alle müssen einer sogenannten Reichskunstkammer beitreten. Ansonsten dürfen sie Kunst weder verkaufen noch öffentlich präsentieren. Natürlich ist der Prozess gegen Meese wegen seines Hitlergrußes bei einer Veranstaltung in Kassel lächerlich. Natürlich ist dieser Teil eines Kunstwerks gewesen. Und daher muss Meese natürlich freigesprochen werden (andernfalls droht ihm eine Geldstrafe). Doch schlimmer als jeder kunstferne Staatsanwalt und die Unfähigkeit, zwischen Kunst und Nichtkunst zu unterscheiden sind Künstler, die sich als Verfolgte gerieren. Wie kaum ein anderer deutscher Künstler seiner Generation wird Meese von Staat wie von Privat hofiert: Die größten Museen Deutschlands laden ihn zu Ausstellungen ein, demnächst inszeniert er Bayreuth, die gewichtigsten Sammler kaufen seine sich immer mehr repetierende Trashkunst, finanziell dürfte demnach auch alles paletti sein – und dann redet so einer plötzlich von „Kunstfreiheit“? Erinnert ein wenig an jenen österreichischen Bildhauer, der unlängst den Großen Österreichischen Staatspreis erhielt, erklärter Liebling des Kunstmarkts ist und ebenfalls gern über ebendiesen ablästert. Arme Großkünstler! Doch während man sich über Wurms Ressentiments noch amüsieren kann, ist Meeses Reaktion nur eines: ärgerlich und entbehrlich. Denn sie verhöhnt all jene, die wirklich unter Zensur zu leiden haben. Die sind allerdings anderswo zu finden. Nicht im Deutschland des Jahres 2013.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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