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Alfons Schilling 1934 - 2013

Zur Bedeutung des Forschers in den Grenzbereichen des Sehens Er war Wissenschaftler und Poet, ein Künstler der an den Demarkationslinien unseres Sehvermögens experimentierte und apparative Möglichkeiten ersann, um neue Formen der Welt-Wahrnehmung zu generieren, ein Visionär also, der unterschiedliche Genres verband wie eine Renaissance-Figur aus der Zukunft. Und nicht zuletzt setzte Alfons Schilling schon in den 1950er Jahren – gemeinsam mit seinem damaligen Studenten-Kollegen Gunter Brus – große Anstrengungen in die Aufsprengung des Tafelbildes. Diese Woche nun ist der Avant Gardist und forschende Philosoph des Sehens Alfons Schilling im Alter von 79 Jahren in Wien verstorben. Beinahe vermeint man, der 1934 geborene Schweizer Künstler, wäre – ob seiner Nähe zum Aktionismus – Österreicher gewesen. Es ist ihm diesen April außerdem das große Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen worden. Doch Schilling stammt aus Basel, nach kurzer Studienzeit in Wien, ging er nach Paris, bevor es ihn für mehr als zwei Jahrzehnte nach New York verschlagen hat, wo er an der Cooper Union und dem Hunter College lehrte. Erst 1986 kehrte er nach Wien zurück, wo dann er eine Gastprofessur an der Universität für Angewandte Kunst einnahm. Als Wegbereiter des Aktionismus gilt Schilling unter anderem deshalb, weil er in Fortführung des Action Painting mit seinen Rotations- und Schleuderbildern die Malerei in Bewegung versetzt und in ein dynamisches Ereignis transformiert hat. Zugleich hat er damit die statische – und tendenziell analytische – Wahrnehmung des Bildzusammenhangs aus den Angeln gehoben, was ihn schließlich zu seinen ausführlichen Forschungen über das menschliche Auge und das Sehvermögen weiter leitete. Schillings legendären Sehmaschinen ist zwar das Moment des Performativen inhärent, weil sie als ästhetisch gestaltete Apparate – bisweilen unter Einsatz des gesamten Körpers – umhergetragen werden müssen. Letztlich aber sind sie auf das menschliche Auge und das Vermögen, die Welt visuell zu konstruieren ausgerichtet. Während das Auge – historisch – zunächst die Welt erschlossen hat, woraus Grundlagen für die Naturwissenschaften entstanden sind, nahm Schilling schließlich die Forschung am Auge selbst vor und ging zu zahlreichen optischen Experimenten der Manipulation am Bild über. Ein Ausgangspunkt ist die seit dem industriellen Zeitalter im 19. Jahrhundert bestehende Erfahrung der Trägheit der Retina in Relation zur maschinellen Geschwindigkeit. Damit war nicht nur das fixe Fortbestehen konkreter Umrisse materieller Gegenstände außer Kraft gesetzt, auch eine verabsolutierte Farbenlehre hatte ihre Gültigkeit durch die Verzerrung des Wahrgenommenen in der Beschleunigung verloren. Der englische Arzt und Forscher Peter Mark Roget hat dieses Phänomen 1824 erkannt und dann als so genannte Nachbildwirkung bezeichnet. Dieser Wahrnehmungsmechanismus war und ist die Basis aller technischen Simulationen von Bewegung über maschinengestützte optische Apparate über Film bis Cyberspace. Insofern könnte die Bezeichnung »Sehmaschinen« für die vielfältigen Apparate der Wahrnehmung von Alfons Schilling irritieren, weil diese das Bild weder präzisieren oder erweitern, sondern vielmehr dekonstruieren und oft wieder in neuer Zusammensetzung aufbauen. Neben seinen "Sehmaschinen" und Experimenten mit Holographien entstanden beispielsweise seine »random-dot -Stereobilder«, aus deren makroskopischer Tiefe einzelne Bildpartikel verschiedene Formen extrahiert werden können. Auf technischem Weg verwandelte Alfons Schlilling die Bildfläche in ein Konstrukt von Schichten oder Zonen, die variabel sind. Die Manipulation räumlicher Wahrnehmung mit Hilfe von Instrumenten erlaubte dem Künstler eine neue Art des Umgangs mit der Vorstellung, Bilder auf der Basis von Spuren aus der sogenannten Realität herzustellen und zu formalisieren. Mit seinen revolutionären Arbeiten zur Modulation visueller Informationen setzte Alfons Schilling nicht nur international Maßstäbe. Inhaltlich drang er damit auch weit in das Terrain medialer und digitaler Kunst vor. Seiner forscherischen Arbeit entsprechend hat Alfons Schilling sein Vermächtnis auch auf einer Website mit ausführlichem Bildmaterial und zahlreichen theoretischen Texten unter anderem von Peter Weibel, Hubert Klocker oder Klaus Albrecht Schröder hinterlassen. www.alfons-schilling.com
Mehr Texte von Roland Schöny

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