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Otto Muehl 1925 - 2013

Zum Tod des Aktionisten und Kommunenchefs An Parkinson erkrankt und zuletzt an der Algarve in Portugal lebend ist der österreichische Aktionskünstler und Oberkommunarde des burgenländischen Friedrichshof, Otto Mühl, der wegen Sittlichkeitsdelikten 1991 zu sieben Jahren Haft verurteilt worden ist, diesen Sonntag, den 26. Mai 87-jährig verstorben. Wieder Diskussionsthema und Angriffsziel geworden ist Otto Mühl in den vergangenen Wochen weniger wegen seiner Kunst, sondern durch Paul-Julien Roberts Film "Meine keine Familie" und somit durch das gescheiterte Experiment der AAO (Aktionsanalytische Organisation), wie sich die Mühl-Kommune nannte. Nicht zuletzt goss er selbst bis zuletzt durch seine halbherzige Distanznahme von der Unzucht mit Minderjährigen weiter Öl ins Feuer. Nur logisch, dass all dies die von Mühl angestrebte Auflösung der Grenzen zwischen Kunst und Leben komplett in Frage stellt und die historisch durchaus abgesicherte Position des radikalen Mitbegründers von Aktionismus und Körperkunst immer wieder ins Wanken bringt. Dennoch behalten seine Gerümpelskulpturen, seine radikalen Performances im Rahmen der Wiener Festwochen zum Teil mit Hermann Nitsch und Adolf Frohner in den 1960er Jahren oder die – erst durch Kurt Kren entsprechend aussagekräftig geschnittenen – Filme ihre Gültigkeit. Kritische Debatten dazu und insbesondere über die Repräsentation der Frau – ähnlich wie über deren Zerstückelung bei den Surrealisten – werden noch zu intensivieren sein. In die österreichische Kunst- und Gesellschaftsgeschichte eingegangen ist auch die als "Uni-Ferkelei" bekannt gewordene Aktion "Kunst und Revolution" im Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes der Universität Wien, an der Otto Mühl beteiligt war. Teils aus ästhetischen, teils aus ideologischen Motiven heraus jedoch umstritten sind Otto Mühls seit den 1990er Jahren entstandenen Malereien, die in der Art simpler Comic-Bilder eindeutige sexuelle Szenarien zeigen. In Österreich präsentiert wurden sie unter anderem in der Wiener Secession, im MAK oder im Essl Museum. Dass darin auch Politiker oder ProtagonistInnen der katholischen Kirche vorkommen entspricht Mühls Strategien der Provokation geradezu klischeehaft, müssen aber dennoch nach den Kriterien künstlerischer Freiheit, wie auch der Meinungsfreiheit beurteilt werden. Ebenfalls klischeehaft und nach einem Pawlow’schen Reiz-Reaktionsschema ablaufend jedoch die Reaktion des Günter Brus darauf, der diese Werke wörtlich als "Scheißdreck" bezeichnete, was den genannten Kriterien genauso entsprechen dürfte. Trotz aller berechtigten und richtigen Kritik an Otto Mühls sozialen und letztlich ins Zynische und somit Asoziale kippenden Experimenten der ach so freien Sexualität und der angeblich erfolgten Abschaffung des Privateigentums, sollte jedoch nicht vergessen werden, dass er sich – ebenso wie Günter Brus oder Peter Weibel im Hörsaal 1 – gegen das repressive Klima im konservativen Nachkriegsösterreich unter der Regierung Klaus und dem reaktionären ÖVP-Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perčević auflehnte. Bei aller Kritik nicht unter den Tisch gekehrt werden sollte auch, dass Otto Mühl dafür, dass er "Terror" gegenüber anderen ausgeübt hat und andere sexuell missbraucht und psychisch ausgebeutet hat, gerichtlich verurteilt worden ist und seine Strafe im Gefängnis auch zur Gänze abgesessen hat. Was in der Rückschau jedoch verwischt wird, ist die Tatsache, dass die AAO eine kurze Phase in der Geschichte medial wie auch real gesellschaftlich den Status von emanzipatorischem Pop hatte. Dass sich unter diesem Paradigma autoritäre Strukturen verfestigten, ist aktuellen Machtheorien zufolge nicht bloß auf eine einzige Person als Sündenbock zurückzuführen. Da wäre durchaus auch das progressive Mitläufertum zu hinterfragen. Als Thema der Kunst- und Zeitgeschichte ist die Akte Otto Mühl selbst nach dessen Tod nicht geschlossen. Wieder zum Thema gemacht und mit radikaler Kritik bedacht werden sollten auf der anderen Seite der Parabel aber auch Sexismus im Alltag und Pornographie im Internet als Geschäftszweig des Kapitalismus, so wie neben der Kunst gelegentlich auch wieder das Leben Gegenstand kritischer Diskussionen sein sollte. Weiterhin auf den Prüfstein gelegt werden wohl die künstlerischen Leistungen Otto Mühls und dessen Werk im Rahmen von Aktionismus, Performance und Body Art. Auf die Konzeption der nächsten Retrospektive nach dessen Tod kann man gespannt sein.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Mühl
Katharina | 28.05.2013 09:22 | antworten
Ich habe in Wien Bilder sehen dürfen von Mühl. Wer sich nicht mit diesen Bildern befasst, kann sie auch nicht verstehen, den Künstler dahinter wird man sowieso nie verstehen können. Ein Blick auf diese Farbexplosionen lohnt sich. Auch wenn man Zwiegespalten ist über den Künstler.
Otto Otto!
Keiner | 29.05.2013 08:10 | antworten
Otto Mühls Testament http://ubumexico.centro.org.mx/sound/muehl_otto/Muehl-Otto_Psycho-Motorik_06_Mein-Testament.mp3

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